Geistlich heißt weltlich

Das Wort heißt Ja

Das Wort, auf das es ankommt, das Wort, von dem alles kommt, das Wort, das die Antwort auf alles, die Lösung für alles enthält, hat einen Namen. Dieser Name wird besonders sprechend in jener Stelle aus dem 2. Korintherbrief des Apostels Paulus, die uns sagt, daß Jesus Christus nicht das Ja und das Nein, sondern daß er das Ja, Gottes Ja zu uns ist (vgl. 2 Kor 1,18–21).

Wir glauben an einen Gott, der nicht blindes Weltgesetz, der nicht oberste Norm, der nicht bloß Ingenieur einer abrollenden Schöpfung ist oder undeutliche Daseinstiefe, welche der Mensch in sich oder im Kosmos aufspürt; wir glauben an einen Gott, der sprechen kann und sprechen will, an einen Gott, der als erstes dieses tut: sich selbst aussprechen, sich selbst verschenken, sich über sich hinausgeben. Und das Wort, das ihn im Anfang faßt, das Wort, in dem er selber da ist, das Wort, das in ihm selbst sein Geheimnis lichtet, heißt Ja. Ein Ja zu sich, ein Ja dazu, daß er der Ursprung ist, aber gerade darin ein Ja, das sich nicht selber behält, sondern das offen ist, Zuneigung, Überstieg, Liebe.

So ist der Sohn der Geliebte, der Bejahte, jener, dem die ganze Liebe des Vaters gilt – und untrennbar davon sagt dieser Sohn mit sich selbst sein Ja zum Vater, er ist das Ja zum Vater, er ist das Ja nicht nur der liebenden Hinauswendung des Vaters über sich selbst, sondern zugleich die liebende Rückwendung zum Vater, der Gehorsam, die Dankbarkeit, das Sich-annehmen, das Sich-verdanken. In diesem Ja ist Gott selbst über sich hinaus offen, frei alles sein zu lassen, was er will.

Die Welt ist nicht ein bloßes Kunststück seiner Allmacht, nicht ein spielerisches Produkt seiner Beliebigkeit, sondern sie ist freigesetzt aus dem Ja, erschaffen aus dem Ja, und alles was ist, hat als Erstes, Innerstes und Tiefstes dieses eine Kennmal an sich: es ist das von Gott bejahte. Die Bestimmung aller Schöpfung ist es so, ein doppeltes Ja zu sagen: einmal das Ja zurück, das Ja in den Ursprung, zum Schöpfer, das Ja des Gehorsams, des Dankes, der Entsprechung – aber darin zugleich das Ja von sich weg, das Ja nach vorwärts, das Ja zum anderen, das Ja zu dem, was auch noch ist, das Ja zum Ganzen. Dann verstehe ich die Menschen und die Dinge recht, dann entbirgt sich mir ihr unverwechselbar je eigenes Wort, wenn ich ihr Ja als diesen doppelten Verweis lese: hin auf Gott, hin aufs Ganze, aufs Andere. In der Balance des Ja zu Gott und des Ja zu den anderen, zum Ganzen erhält der einzelne und das einzelne seine Identität in sich; es ist nicht mehr nur fremdbestimmt, es ist nicht mehr nur Stellenwert auf einer Skala, es ist nicht nur brauchbar und verrechenbar mit einem anderen, sondern es ist, was es ist: sein Name ist derselbe Name wie der des ersten Wortes, sein Name heißt – einmalig, unverwechselbar – Ja.

Doch so sehr gehört Gottes ursprüngliches Ja und das Ja des Geschöpfes zusammen, daß Gott dieses freigegebene Ja, das Geschöpf nicht allein läßt. Inmitten der Schöpfung, sogar inmitten einer Schöpfung, die von sich aus ihr Ja Gott entzogen, sich gegen ihn gewendet hat, in einer Schöpfung, die aus der Eindeutigkeit des Ja in die Vieldeutigkeit des Ja und Nein hineingeraten ist, nimmt das erste, das ursprünglichste, das göttliche Wort Wohnung, das Wort selbst wird Fleisch, das Wort selbst wird Geschöpf. Als Wort unter den vielen Worten, als Wort, das sich [316] in den Streit der Worte hineinbegibt, als Wort, das sich ausliefert bis zum Tod, spricht es uns seine innerste Tiefe zu, die Tiefe einer Liebe, wie sie größer nicht gedacht werden kann. Das Geschaffene muß ein Ja sprechen zu seiner eigenen Endlichkeit, es hat dieses Ja nicht gesprochen – aber Gott spricht es an der Stelle des Geschöpfes, Gott spricht es in Jesus Christus als selbst endlich Gewordener. So verwandelt er von innen her das Nein, die Zweideutigkeit, die Entscheidung gegen Gott ins neue Ja. Er schiebt das Nein, er schiebt das eigenmächtige, verfremdete und verkehrte Wort des Menschen und der Schöpfung nicht einfachhin auf die Seite. Er sagt nicht: Das ist alles nicht so schlimm, nicht so wichtig. Im Gegenteil, er nimmt die Freiheit seines Geschöpfes bis zum äußersten ernst. Aber er nimmt sie gerade dadurch ernst, daß er sie auf sich selber nimmt, daß er sie selber teilt, daß er so das Ende, in welches das Geschöpf sich hineinverliert, zum neuen Anfang, zur Chance des neuen Ja werden läßt.

Die Konsequenz: es gibt keine hoffnungslose Situation, es gibt keinen hoffnungslosen Fall. Gerade das scheinbar Unannehmbare, Nutzlose, Unerträgliche wird zur Stelle, an der ein neues, ein tieferes Ja von uns mit dem fleischgewordenen und gekreuzigten Wort mitgesprochen werden kann und soll. Die rätselhaften, verrückten, abgründigen, „hoffnungslosen“ Situationen sind dazu da, daß wir in ihnen mit Jesus das Ja des unbedingten Vertrauens und Gehorsams und zugleich das Ja der unbedingten, je größeren Liebe sprechen. Durch dieses Ja soll und kann wirkliche Verwandlung geschehen. Unser Dienst hat aus dem Kreuz heraus die Kraft, aus dem scheinbar Mißratenen und Wertlosen etwas wachsen zu lassen, was den Glanz des Schöpfungswortes widerspiegelt, was die Schöpfung als ganze reicher und kostbarer macht. Und über unser Tun und seine Mächtigkeit, über unseren Dienst und seine Wirksamkeit hinaus bleibt uns das Wort als Wort der Hoffnung. Jener, der das erste Wort ist und hat, wird auch das letzte Wort haben und das letzte Wort sein. Die Wehen der Schöpfung sind die Geburtswehen des Neuen, des Endgültigen, das nicht der Mensch machen kann, sondern das Gott wirken wird.

Doch in der Menschwerdung des Wortes ist noch eine weitere, kühnere Dimension des Ja erschlossen. Das Ja, das Gott zu sich selber und über sich hinaus spricht, möchte ein Ja werden, das wir zueinander sagen. Gottes Wille, der reines Ja ist, will wie im Himmel so auf Erden geschehen; er will zwischen uns geschehen, er will das Band der Einheit zwischen uns werden, damit wir, sterbliche Menschen, so zueinander ja sagen, wie der Vater und der Sohn zueinander ja sagen im einen Geist. Das Geheimnis des göttlichen Ja will sich also in der Schöpfung nicht nur wie in einem fernen Glanz spiegeln, es will das Leben des Lebens der Schöpfung werden.