Christliche Spiritualität in einer pluralistischen Gesellschaft

„Das Wort ist Fleisch geworden“

Natürlich haben gerade maximale Formeln es an sich, nicht nur Entfaltungen einer Mitte zu sein, sondern zugleich ein geschichtlich zufälliges und zusätzliches Stück Welt, einen geschichtlich zufälligen und zusätzlichen Horizont von Sprache und Kultur mit einzubeziehen. Zumal der Prolog des Johannesevangeliums, an dessen zentraler Aussage wir uns orientieren wollen, ist hineinverwoben in Traditionen und Denkfiguren, die sich nicht allein aus der Mitte des Evangeliums selber speisen.

Das eigentlich christliche, ja evangelische Verständnis dieses Abschnitts erschließt sich uns indessen nicht schon, wenn wir die genaue Herkunft und den genauen Hintergrund der zentralen Begriffe „Wort“, „Fleisch“, „Welt“ ermitteln. Das Entscheidende liegt gerade zwischen den Begriffen, im Geflecht der Beziehungen. Diese Beziehungen bezeichnen die unaufgebbare christliche Mitte und bezeichnen sie so, daß sie auch von unserer Situation, von unseren Lebens- und Verstehensmöglichkeiten aus in den Blick kommt. Wir dürfen in unserem Zusammenhang daher einmal die begriffs- und traditionsgeschichtlichen Untersuchungen auf sich beruhen lassen und uns direkt dem für uns zentralen Punkt, dem Beziehungsgeflecht zuwenden. Muten wir es uns zu, die- [98] ses Geflecht nur in sparsamen, beinahe zu abstrakten Strichen vorzustellen, ehe wir die Formel am Leben bewähren und so selbst lebendig werden lassen.