Gerufen und verschenkt. Theologischer Versuch einer geistlichen Ortsbestimmung des Priesters

Dasein in Gemeinschaft

Christ sein heißt in Gemeinschaft leben, und dies gilt für den Einsiedler in der Wüste ebenso wie für den in das Gewühl einer Weltstadt Getauchten. Die Gemeinschaft, in welcher ein Christ lebt, ist zuerst und vor allem: die Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater und des Vaters mit dem Sohn im Geist. In diesen Lebensraum ist er hineingetauft, und nur in diesem Lebensraum hat er sein Leben. In die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes im Geist getauft und getaucht sein, dies aber läßt sich nicht abtrennen von der Gemeinschaft miteinander. Wenn Jesus Christus mein Bruder wurde, dann sind alle seine Brüder meine Brüder. Wenn ich in Jesus, in seinem Geist, „Vater“ zu seinem Vater sagen darf, dann komme ich nicht umhin, „Vaterunser“ zu sagen. Der Zusammenhang zwischen der Communio des Vaters und des Sohnes im Geist und der Communio der Glaubenden im selben Geist miteinander – das ist das Wesen christlicher Communio, hier rühren wir an den Nerv von Kirche. Wir fragten uns nach dem geistlichen Standort des Priesters. Wir entschieden uns für den Ausgang vom „absoluten Zwischen“. Wollen wir dies positiv fassen, dann können wir sagen: Er steht an jenem Angelpunkt, an welchem die Communio des Vaters und des Sohnes im Geist hinüberführt in die Communio der Glaubenden miteinander und umgekehrt. Und in diesem Angelpunkt hängt zugleich die Tür, [120] durch welche Gottes Heil hinaus in die Welt und die Welt hinein in Gottes Heil gelangt. Der Priester ist aber nicht nur Türhüter der Communio, Sachwalter der Communio. Vielmehr ist Communio zugleich seine Lebensform. Wenn ich mich nach einer Alternative umgeschaut hätte, den geistlichen Standort des Priesters anzugehen, so hätte ich mich für diesen Ansatz bei der Communio entschieden. Er ist aber umgriffen von jener Sicht, die wir wählten, und umgreift zugleich diese Sicht. Es ist im Grunde derselbe Ansatz. Wir wollen zunächst den Zusammenhang der Communio zwischen Vater und Sohn im Geist und der Communio der Glaubenden miteinander, der ekklesialen Communio, in seiner geistlichen Mitte anvisieren. Wir wollen sodann zu verstehen suchen, was das für den Dienst des Priesters bedeutet. Schließlich wollen wir danach fragen, wie solche Communio durchschlägt in die Lebens- und Dienstform des Priesters.