Glauben – wie geht das?
Den Geist verstehen – im Geiste Gott verstehen
Wer wir sind, haben wir an den elementaren Zeugnissen im Römerbrief und Galaterbrief abgelesen (vgl. Röm 8,15f.; Gal 4,6f.; vgl. auch 1 Joh 3, 1): Wir sind durch den Geist des Sohnes selbst Söhne, Kinder Gottes. Jesus ist der Sohn und hat den Geist des Vaters in Fülle – indem er seinen Geist uns mitteilt, erhalten wir Gemeinschaft mit ihm in dem, was er ist. Wir haben eben denselben Vater wie der einzige Sohn und können ihn als Vater im Geist anreden – und wir können im Geist erkennen, daß in Jesus der Sohn selbst unser Menschenbruder geworden ist und können des weiteren erkennen, daß er im Geist seine Sendung uns mitteilt, daß er, der in uns lebt, durch uns leben will in der Welt.
Er gibt sich, indem er seinen Sohn für uns hingibt – er gibt sich, indem der Sohn uns seinen Geist sendet. Und indem uns der Geist Gottes Beziehung zu uns und unsere Beziehung zu Gott zeigt, zeigt er uns eben das Geheimnis Gottes selbst. Dieses Geheimnis Gottes steht nicht unerschlossen hinter seiner Hingabe, Gott hat sich keinen Privatraum für sein Innenleben vorbehalten, an dem er uns keinen Anteil gäbe. Sicher hebt der Anteil, den Gott uns durch seinen Geist an sich selber gibt, nicht unsere Geschöpflichkeit auf. Sicher bleibt unsere Weise, zu sehen und zu sagen, an Gott teilzuhaben, durch unsere Geschöpflichkeit begrenzt und bestimmt. Aber in dieser unserer Begrenzung haben wir doch Anteil am ganzen Leben Gottes. Wir dürfen wissen: Gott hat uns wahrhaft nichts von sich selbst vorenthalten. In dieser sich verschenkenden Beziehung zu uns geht er auf als jener, der in sich selber Sich-Verschenken, gegenseitige Liebe ist. Es gibt keinen Punkt, an dem Gott nur einsames Prinzip, verschlossenes Ich wäre. Von allem Anfang an ist der Vater im Sohn und der Sohn im Vater – und eben dies ist da in jenem personhaften Heiligen Geist, der als beider eine Gabe von ihnen ausgeht und der sie als diese personhafte Liebe gegenseitig mit sich selbst beschenkt. Hier schließt sich das göttliche Leben in sich selbst – und hier öffnet es sich zugleich über sich hinaus. Durch den Heiligen [147] Geist vermag Gott sich auch dem Höchsten seiner Schöpfung, der geschöpflichen Freiheit, mitzuteilen.
Die „Revolution“ des Gottesbildes, die durch den Glauben an den personhaften Heiligen Geist und damit durch den Glauben an den dreieinigen Gott in der Menschheitsgeschichte eingesetzt hat, ist kaum zu ermessen. Sie hat sogar unser eigenes, christliches Bewußtsein noch nicht bis zum tiefsten Grund durchdrungen. Daß Gott ganz und gar Mitteilung, sich verströmendes Leben, daß er in sich geschlossene Seligkeit als lautere gegenseitige Hingabe ist, das dreht nicht nur das menschliche Bild von Gott um; es betrifft auch unser Selbstverständnis, unser Verständnis der Welt. Sein und Leben können auch für uns nur noch heißen: füreinander und miteinander sein.
Dasein heißt in Beziehung treten. Ganz gewiß in Beziehung mit Gott, in Beziehung mit der Quelle, ohne die wir nichts sind. Aber diese Beziehung zur Quelle muß gelebt werden in der gegenseitigen Beziehung, im Geben und Schenken. Nur in diesem Rhythmus, in dem wir uns scheinbar verlieren, gewinnen wir uns selbst. Wie das Licht, das seine Strahlen nicht aussendet, erstickt und wie die Quelle, der kein Wasser mehr entsprudelt, in sich versiegt, so ist es mit uns selbst und mit allem. Füreinander, für das andere und die anderen sind wir erschaffen und finden uns in solcher Hingabe erst selber. Nicht im Sinne eines einsamen Heroismus, sondern im Sinn jener Liebe, die den ersten Schritt je wagen muß, um den ersten Schritt zu finden und zu entbinden, der vom Gegenüber geschieht und uns beschenkt. Vergehen und Vergänglichkeit werden offen als jener Rhythmus des Seins, der seinen Sinn, das Geben, auch dort noch durchsetzt, wo wir uns ihm selbstherrlich verweigern – und zugleich als die neue Chance, uns bis zum tiefsten hin zu verschenken.
Entdecken wir nicht hier erst, was wahrhaft Herrschaft Gottes heißt, Sich-Geben Gottes in unsere Welt hinein, in unser Dasein? Verstehen wir nicht, weshalb die tiefste Mitteilung und das tiefste Geschenk des göttlichen Lebens an uns im Kreuz geschieht? Gott steigt ein in den Rhythmus unseres Vergehens, um dieses Vergehen von innen her in reine Gabe zu verwandeln. Der Sohn Gottes gibt [148] sich selbst, gibt den Geist, der sein menschliches Dasein ausfüllt, in die Hände des Vaters weg (vgl. Joh 19,30) – und so wird der Geist frei, um uns mitgeteilt zu werden in der österlichen und pfingstlichen Sendung.
Die „Schlüsselstellung“ im Aufgang des dreifaltigen Geheimnisses Gottes und im neuen Verständnis des Menschen und der Schöpfung nimmt der Heilige Geist ein. Nur in ihm erschließt sich uns die neue Lebensart Gottes, jene andere Logik des göttlichen Lebens selber. In der einen, gemeinsamen personhaften Liebe, die Vater und Sohn einander schenken, vollendet und öffnet sich Gottes Geheimnis für uns.