Glauben – wie geht das?
Der Einstieg: Wegerfahrung des Glaubens
Wo Menschen ein neuer Anfang im Glauben geschenkt wird, wo sie einen Durchbruch erfahren, wo sie eine Kehrtwendung in ihrem Leben vollziehen, da bezeugen sie genau dies: Glaube geht! Und Glaube geht, das heißt: mein Leben geht, meine Ehe, mein Verhältnis zu diesem schwierigen Nächsten, das Aushalten in meiner scheinbar ausweglosen Situation, das Ertragen meiner Krankheit geht. Leben geht, dies heißt: das Wort des Evangeliums geht, der Weg, den Jesus in seinem Tun und seiner Botschaft vorzeichnet, er geht und wird Weg eigenen Lebens. Nicht daß Gottes Wort dadurch zum Rezept würde, das sich nur in ethische Leistung umsetzte. Ganz im Gegenteil. Denn der Weg, der dem Glaubenden gelingt, gelingt ihm nur, weil er erfährt: mein Schritt auf Gott zu ist Antwort auf Gottes ersten Schritt auf mich zu. Das Wort der Schrift zeichnet [15] meinen Weg, zeichnet das Gehen meines Lebens nur, weil es zuerst den Weg Gottes zu mir, sein Zugehen auf mich bezeugt. Nachfolge geht nicht ohne Ruf, erlöstes Leben nicht ohne die erlösende Tat, unsere Liebe nicht ohne die Liebe dessen, der uns zuerst geliebt hat.
Doch dies ist eben die Verwandlung des Wortes. Es ist nicht mehr Information über etwas, was unabhängig von mir geschehen ist, sondern was da geschehen ist und was im Wort anwesend wird, ist selbst Weg, ist selbst Brücke, die Gott zu mir schlägt. Und auf dieser Brücke kann ich nun gehen. Dasselbe Wort, das mir sein Handeln, seine Nähe, sein Kommen bezeugt und darin ihn selber mir offenbart, ist so zugleich Erhellung meines Weges, Anstoß und Aufriß dessen, wie mein Leben mit Gott und auf ihn zu geht.
Wenn wir in die Geschichte der Kirche, in die Geschichte gelebten Christentums hineinschauen, dann entdecken wir immer wieder: Die großen Aufbrüche sind Berufungen, in denen das Evangelium selbst, der Kern der Botschaft durchschlägt in ein menschliches Leben und in eine menschliche Gemeinschaft hinein. Dadurch tritt die Botschaft neu ans Licht und wird ein neuer Weg von Nachfolge, eine neue Erfahrung eröffnet, wie Glaube geht.
Es handelt sich hier um gelebten Glauben, gewiß. Aber der gelebte Glaube ist auch der gewußte, der reflektierte, der sich theologisch verfassende Glaube. Nicht nur bei Augustin lassen sich Bekehrung und Theologie nicht voneinander trennen, auch bei einem Anselm stehen Gebet und Reflexion ineinander, und nicht umsonst siedeln sich die großen theologischen Aufbrüche des 13. Jahrhunderts, siedeln sich ein Albert und Thomas einerseits und ein Bonaventura andererseits im Umkreis eines Dominikus und eines Franz von Assisi an.
Die Theologie, mehr noch: die Verkündigung des Glaubens und auch die Verfassung des Glaubens in seiner dogmatischen Gestalt sind nicht eine Voraussetzung, die außerhalb des Lichtkreises unserer Frage liegt: Wie geht Glaube? Alles das ist Vollzug dieser Frage, Ansatz der Antwort und muß im Licht dieser Frage wieder aufgeschlüsselt werden. Es geht also nicht um ein bißchen Existentialität [16] und Subjektivität, mit denen die „objektiven“ Formeln attraktiver und lebensvoller gemacht werden sollen, sondern es geht darum, den Wegcharakter der Botschaft selbst anzuvisieren. Daß die Mitte der Botschaft bewegende, strahlende, „weghafte“ Mitte ist, daß jener, der sich Wahrheit und Leben nennt, nicht nur einen Weg führt, sondern Weg ist (vgl. Joh 14,6), das soll uns in den nachfolgenden Besinnungen über die neutestamentliche Grundbotschaft nahe kommen.