Seelsorge als geistliches Tun
Der Geist
Das Geheimnis des Wortes, das Gott sagt, und der Fleischwerdung des Wortes, das Gott ist, das Geheimnis des Wirkens Jesu und zutiefst seiner Hingabe am Kreuz, das Geheimnis aller participatio und communio ist der Geist. Vater und Sohn schenken sich in alle Ewigkeit die eine und selbe Liebe, die nicht weniger ist als sie selbst, sondern selbst göttliche, personale Gabe. Und jede Gabe, die das Innere Gottes uns erschließt, ist umfangen, ermöglicht, erschlossen in dieser Gabe, die der Geist ist. So wird klar, daß alle Gaben Gottes, daß die Worte Gottes, die ihn eröffnen, daß die Hingabe des Sohnes, die uns erlöst, daß die Gaben des Geistes, in denen er sich uns mitteilt, damit wir aus ihm leben und wirken können, ein einziges. Ziel haben: alles und alle in jene Einheit zu [281] wirken, die Gottes Leben, Gottes innerstes Geheimnis ist. Daß alle eins seien wie der Vater und der Sohn, damit die Welt glaube (vgl. Joh 17,21), das ist nicht ein frommer Wunsch Jesu, der den Heilswillen Gottes noch verfeinert und verschönert, sondern ist das Ziel des göttlichen Heilshandelns selbst. Denn dieses Heilshandeln will uns ja Anteil geben an Gott und Gemeinschaft mit Gott, wie er ist. Dann aber kann dieses Heilshandeln kein anderes Ziel haben als das, was selber „Ziel“, Vollendung des göttlichen Lebens in sich selber ist: Einheit im Heiligen Geist, Heiliger Geist als die Gabe und das Band und der Ausdruck der vollendeten Einheit.
Man begegnet immer wieder Bedenken gegen eine neue Akzentuierung des Priesterbildes; man fürchtet, an die Stelle des Seelsorgers sei der Diener der Einheit getreten, und dies sei doch eine funktionale, zur eigentlichen Seelsorge zusätzliche und menschlich weniger erfüllende Aufgabe. Wenn wir Einheit im Sinne des Heiligen Geistes verstehen, dann zerstreut sich dieses Bedenken, dann wird offenbar: Seelsorger sein und Diener der Einheit sein ist im strengen Sinn dasselbe. Denn daß der einzelne im Heil ist, heißt doch, daß er eins ist mit sich selbst. Aber mit sich eins kann er nur sein, indem er eins ist mit Gott, und die Einheit mit Gott ist von Gott selber her die Dynamik zur Einheit mit den anderen hin. Ohne die Einheit im Geist bleibt der einzelne isoliert und Fragment. Sich selbst in Jesus Christus finden bedeutet, in ihm die Einheit mit den anderen, in ihm die Dynamik auf die anderen zu finden. Wir können Jesus Christus nur finden im Geist, und wenn wir Jesus Christus finden, dann finden wir in ihm seinen Geist. Das unterscheidet Seelsorge als geistliches Tun von einer bloßen Betreuung und einem bloßen Service: Es geht um den anderen selbst, aber der andere ist nicht nur Empfänger und Bedienter, sondern indem er zu sich selber findet, findet er über sich hinaus, findet er in die Übergreifende Einheit. Ware es so nicht ein integrales Bild gerade des Priesters als Seelsorger: Er ist Diener der Einheit, die nicht übergreifende Organisation ist, sondern Raum, In welchem jeder einzelne sich finden kann. Er ist zugleich Diener am einzelnen; aber dieser einzelne bleibt nicht in sich, sondern bricht auf, geht auf andere zu, lebt selber dafür, daß alle eins seien.
Christliche Einheit hat drei Dimensionen. Sie ist unmittelbare Einheit, Einheit dort, wo ich bin. Mit meinem Nächsten soll ich jene Einheit suchen, daß zwischen uns der lebendige Herr leben kann (vgl. Mt 18,20). Aus dem Kontext meines Lebens soll sich lebendige Gruppe und Zelle bilden. Aber solche Gruppe und Zelle ist nicht Selbstzweck und nicht Endstation. Die zweite Dimension ist die der ekklesialen Einheit. Ich und meine Zelle oder Gruppe tragen das Ganze mit, leben fürs Ganze und aus dem Ganzen. Gerade Puebla hat den Finger darauf gelegt: Basisgemeinschaft allein verlöre sich in sich selber, würde zur Sackgasse, wenn sie sich nicht öffnete auf den gemeinsamen und einen Weg der Kirche, die von kirchlichen Basisgemeinschaften lebt, sie aber zugleich trägt und integriert. Die dritte Dimension christlicher Einheit schließlich ist die missionarische. Wir können nie mit der erreichten Einheit zufrieden sein, der Pfingststurm bleibt unbequemer Motor, bis alle eins sind.
Seelsorge als Dienst der Einheit: hier holen wir erst ganz das Thema „Seelsorge als geistliches Tun“ ein. Denn Einheit kann christlich nur vom Geist her verstanden, nur aus und mit dem Geist gewirkt werden. Wie aber wirkt der Geist? Er geht hervor aus dem Vater und dem Sohn, die sich in gegenseitiger Liebe einander schenken. Er selber ist Gabe, Geschenk. Und er tut in aller Zeit und Ewigkeit nur eines: er schenkt, und er schenkt sich, damit Einheit werde, und er schenkt Menschen, daß sie sich und ihn weiterschenken, damit Einheit werde. Hingeben, schenken, dienen, das sind die einzigen Vollzüge, aus denen Einheit im Geist erwachsen kann. Alles, was nicht Hingabe, Geschenk, Dienst ist, kommt nicht vom Geist. Dann aber hat christliche Einheit einen paradoxen Rhythmus. Im Schenken, Hingeben, Dienen hat stets der andere den ersten Platz, ich fange bei ihm an, öffne mich ihm. Aber zugleich tue ich so doch stets den ersten Schritt, ergreife die Initiative, warte nicht erst auf die Initiative des anderen, sondern fange grundlos zu lieben an. Nirgendwo mehr als in solcher Liebe, die spontan selber anfängt, indem sie beim andern anfängt, finden wir uns selbst in Jesus Christus [282] und helfen wir dem anderen, sich in ihm zu finden. Solche Liebe allein schafft participatio und communio, Teilhabe am andern und Gemeinschaft mit ihm. Solche Liebe ist das Geistlichste und sie ist die reinste Kontemplation. Denn in ihr schaue ich am reinsten auf den Gott, der die Liebe ist, so daß er mich und die anderen in sein Leben hineinnehmen und uns sich anverwandeln kann. Solche Liebe ist das innerste Geheimnis des Wortes, das Gott uns sagt, und des Kreuzes, in dem Gott uns trägt, und der Einheit, die er will und wirkt.