Der Mensch als Thema der Kirche und der Kunst

Der Mensch als Thema der Kirche und der Kunst

[4] „Das Thema der Kirche und das Thema des Künstler ist der Mensch“. Dieser Satz, den der Papst bei seiner Begegnung mit Künstlern in München formuliert hat, kann einen, der ihn unbefangen liest und nicht den ganzen Kontext kennt, vor erhebliche Fragen stellen. Soll der Mensch das Thema der Kirche sein? Geht uns die Kirche nicht manchmal schon auf die Nerven, wenn sie nur immer den Menschen in die Mitte rückt? Ist sie nicht geradezu fixiert auf den vielberufenen „anthropologischen Ansatz“? Wäre es manchmal nicht besser, sie würde sich darauf besinnen, daß ihr Thema ein Anderer ist und daß man es Ihm überlassen sollte, den Menschen zum Thema zu haben? So könnte man fragen. Man könnte genauso gut der Kirche anlasten, daß sie mit Worten stark ist im Einsatz für den Menschen, aber zu wenig tut; daß der Mensch zu weit draußen bleibt aus dem, was sie wirklich in ihrem Alltag vertritt und leistet. Die Frage bleibt: ist der Mensch Thema der Kirche? Soll er es sein? Sicher können wir sagen, daß Kunst nicht dort am Ende ist, wo der Mensch das Thema der Kunst ist. Kunst hat auch andere Themen als den Menschen. Und wenn nur die anthropologische Bedeutung, wenn nur der Rang für den Menschen bei der Kunst im Vordergrund steht, wenn Kunst nur als Ausdruck des Menschen gilt, wenn Kunst gar nur als ethische und helfende und heilende für den Menschen gefeiert wird – ist da nicht die Kunst zur moralischen Anstalt verkürzt, die gerade deswegen ihre moralische Aufgabe gar nicht erfüllen kann? Kunst ist weiter als die Thematik „Mensch“ und auch Kirche muß über die Thematik „Mensch“ hinausreichen.

Wir dürfen uns also nicht im Satze des Papstes sonnen und dürfen nicht rasch einige Maximen aufstellen, warum es so wichtig ist, daß gerade die Kirche und gerade die Künstler sich der Menschen annehmen sollen, nach dem Motto: wenn alle freundlich zueinander sind und gut zusammenarbeiten, dann wird es demnächst gut um die Menschen stehen. Das wäre eine rührende Thematik, eine rührende These, die ganz sicher angesichts der Probleme, die uns in Kunst und Kirche bedrängen, gegenstandslos würde. Trotzdem – dieser Satz steht da; er ist gesprochen in einem großen Ernst; er ist gesprochen ohne jede Enge; er hat mich gerade deswegen, weil ich diese Frage nicht akademisch verstehe, herausgefordert, über ihn mit Ihnen nachzudenken. Und vielleicht können wir hier eine Wendung vornehmen, weg unmittelbar von Kirche und Kunst, um das Thema „Mensch“ für Kirche und Kunst neu zu gewinnen. Ich frage mich nun als Theologe, wie denn der Mensch das Thema Gottes sei. Irgendwie muß er das sein, denn Gott hat ihn erschaffen und für dieses sein Geschöpf einiges veranstaltet – die ganze Heilsgeschichte, das Kommen von Jesus Christus, sein Tod und seine Auferstehung.