Glaubwürdig die Botschaft Jesu Christi leben
Der Ort Jesu: Die Kirche
[10] Was hat unser bisheriger Gedankengang mit Kirche zu tun oder was hat die Kirche damit zu tun?
Jesus Christus hat eben wirklich riskiert, diese Geschichte mit der Menschheit an einem ganz lächerlichen kleinen Zipfel damals vor 2.000 Jahren in Bethlehem, Jerusalem, Nazareth usw. anzufangen. Und er ist eben dieser Konkrete, weil Liebe konkret ist, weil Annahme, Hingabe, Übernahme konkret sein müssen, wenn sie mehr als bloße Idee sein sollen. Und deswegen hat er auch mit einigen ganz „komischen Typen“, Aposteln und Jüngern angefangen, die Geschichte in Gang zu bringen. „Komisch“ sind die Typen geblieben, bis heute. Aber gerade da liegt etwas Entscheidendes. Ich erinnere mich noch gut, als das Konzil anfing, wurden von meinem damaligen Bischof die Priester der Stadt zu einem Gottesdienst in den Dom gerufen. Es wurde verlangt, daß man ein Rochett mitbrächte. Ich habe einen Sprung über mich selber gemacht, weil ich mit diesen Spitzenröcken über dem Talar wenig anfangen konnte. Ich fühlte mich furchtbar unwohl in dem Chorgestühl des Doms in diesem Chorhemd mit den Spitzen und dem Kragen. Ich dachte spontan: „Lieber Gott, jetzt geht ein Konzil an. Wenn ich mir anschaue, wer da alles dazugehört, dann habe ich wenig Hoffnung, daß die Kirche neu werden kann.“ Und dann ist mir durch die Kopf gefahren: „Wenn es nur die ‚ganz Tollen‘ wären, dann wären es nur die Menschen, die etwas erreichen, wenn aber mit diesen Typen, die wir sind, jetzt in diesem Konzil doch etwas passiert, dann war‘s wirklich der liebe Gott.“ Ich sollte ihm eigentlich zutrauen, daß er gerade mit uns „armseligen Typen“ etwas anzufangen vermag. Und wenn ich das jetzt sozusagen einmal in den Klartext übersetze, etwas in theologischere Abstraktion, dann heißt das:
[11] Die Kirche ist, wie es das II. Vatikanische Konzil sagt, das konkrete Heilszeichen der Einheit der Menschheit in Gott: Gott nimmt irgendwo ein paar Leute, die begrenzt sind, und er vertraut sich ihnen so an, daß darin auch wirklich sein endgültiges Leben in unserer Mitte Gestalt gewinnt. Aber das hat zwei Seiten, die ich bezeichnen möchte mit dem Wort: endgültige Weggemeinschaft. Kirche hat etwas Endgültiges. Gott wird nie mehr eine andere Kirche gründen. Er wird nie mehr sein Ja zurückholen. Er wird nicht ein anders Evangelium geben. Es wird keinen anderen Grundriß des Menschen geben. Dieser Mensch, den er angenommen hat, ist der Mensch, der in Annahme, Hingabe, Übernahme lebt. Dieser Mensch ist derjenige, den es zu retten und mit dem es zu leben gilt. Gott nimmt die Menschen an. Er bleibt bei diesen Menschen. Er bleibt bei seinem Ja. Das Evangelium bleibt, der Glaube, die Grundlinien der Sittlichkeit bleiben. Aber dieses Endgültige ist nicht ein Block, nicht ein Getto, nicht eine feste Burg, sondern ein wanderndes Gottesvolk. Ein Volk unterwegs mit neuen Erfahrungen. Es ist wie bei einer Ehe, es ist wie bei einer bleibenden Freundschaft, gerade wenn ich absolut treu beim ersten Wort bleibe, bin ich befähigt, ganz neue Erfahrungen zu machen. Eigentlich macht jener, der sagt: „Höre, ich probier es einmal und dann probier ich etwas anderes“, immer wieder bloß die alten Erfahrungen, |obwohl| er meint, er macht immer neue. Wer aber einmal ja gesagt hat und das durchträgt und durchzieht, der macht in neuen Situationen neue Erfahrungen, der entwickelt neue Kräfte und der kann, gerade weil er bei seinem Ja bleibt, Neues gestalten.
Wir müssen den Mut haben, unbequeme Weggemeinschaft zu sein. Amt gehört zur Kirche, ist aber für sich allein nicht die Kirche. Das Amt ist wichtig, es ist ein Zeichen der Treue Gottes in dieser Kirche: damit gewiß ist, daß er in armseligen Menschen dabeibleibt. Wie er im Brot dabeibleibt, wie er im Wort dabeibleibt, so auch ganz sicher im Amt. Aber wir müssen auch unbequem dem Amt sagen: „Schau mal, du siehst nicht, wo und wohin wir jetzt unterwegs sind, lauf nicht mit verbundenen Augen, schau doch mal die Situation an.“ Wir müssen uns aber auch sagen lassen, daß vom Amt auf das hinzuweisen und das zu verkünden ist, was endgültig bleibt. Diesen oft dringenden und mühsamen Dialog, den können wir uns nicht ersparen. Diese beiden Seiten gehören zusammen im Ringen um die endgültige Weggemeinschaft.
In dieser endgültigen Weggemeinschaft gelten zwei Sätze: Ich kann nicht sagen: „Christus ja, Kirche nein.“ Wer ihn haben will, der muß auch die ganz konkrete Gesellschaft seiner Freunde haben. Ich kann aber auf Dauer [12] auch nicht sagen: „Kirche ja, Christus nein.“ Manche, die die Situation kennen, sagen, es gebe eine neue Tendenz zu dieser Sichtweise, die Ausdruck findet in diesem Satz. Man denkt sich dabei: „Ach, wenigstens ein bergender Raum, wenigstens Gemeinschaft, und dieser Jesus, den können wir eigentlich weglassen.“
Der Durchstoß von Jesus zur Kirche und von der Kirche zu den, auf den hin es geht, ist eine mühsame Sache. Aber dieser doppelte Überstieg übers Gitter ist entscheidend.