Gerufen und verschenkt. Theologischer Versuch einer geistlichen Ortsbestimmung des Priesters

Der Priester – Zeuge für die Erlösung

Werk und Wirken Jesu werden in der Überlieferung des Glaubens durch kein anderes Wort so prägnant zusammengefaßt wie durch das Wort „Erlösung“. Was hat Jesus getan? Wer diese Frage an Gläubige stellen würde, erhielte wohl [163] auch heute noch am häufigsten die Antwort: Er hat uns erlöst. Sicher, dieses Wort ist in der gegenwärtigen Sprach weit fremder und seltener, wohl auch undeutlicher geworden als es einst war. Und doch stößt die Botschaft von der Erlösung hinein in die Mitte der Not und Sehnsucht unserer Menschheit. Wiederholt sagt es uns der erste Schöpfungsbericht: „Und Gott sah, daß es gut war“ (Gen 1,31). Aber ist es jetzt noch gut, gut mit uns, gut mit der Welt? Sind nicht wir so oft ohnmächtig des Guten; ist nicht so oft das Gute ohnmächtig unserer selbst, ohnmächtig unserer Welt? Erfahren wir nicht immer wieder die Übermächtigung unseres Willens, unseres Höffens, unseres Handelns durch das namenlose Es von Mächten und Gewalten, die nicht in äußeren Verhältnissen oder angebbaren Faktoren festzumachen sind und doch das Ganze stimmen und bestimmen? „Erlöse uns von dem Bösen!“, lautet die letzte Vaterunserbitte. Und diese Bitte bittet um Gott selbst: „Er selbst wird kommen und euch erretten“ (Jes 35,4). Ja, wir glauben, daß Gott in Jesus Christus gekommen ist und uns erlöst hat. Die Erlösung ist noch nicht vollendet, aber im Grunde ist alles jetzt schon anders, wenn wir uns ihm und der Kraft seiner Liebe anheimgeben, die am Kreuze siegt und uns Anteil am Geist des Auferstandenen gibt. Wir haben nicht nur eine Hoffnung darauf, daß Gott einmal Heil heraufführen wird; wir wissen: Heil ist schon da, in ihm, der alles Unheil in sich ausgelitten und gewendet hat und der die Gestalt des Heils schon in sich, in seinem, unserem verherrlichten Menschsein uns zeigt und darreicht. Er hat die von Gott losgerissene Menschheit und den unserer Welt ferngerückten Gott in sich selber miteinander verbunden, er hat uns über alle Risse und Gräben hinweg miteinander geeint. Er ist der Erlöser seines Leibes, der Kirche (vgl. Eph 5,23). [164] Priester sein heißt in jenem Zwischen stehen, in welchem Erlösung geschieht, in jenem Zwischen, das Gott und Welt und Menschen miteinander verbindet und versöhnt. Der Priester ist Zeuge für die Erlösung. Was bedeutet das für das Wirken des Priesters? Wir wollen dieser Frage in einem dreifachen Ansatz nachgehen. Zuerst: Der Priester selber ist ein Erlöster, einer, der an die Erlösung, an die seine wie an die der anderen wie an die der ganzen Welt, glaubt. Nur indem dieser Glaube sein Leben durchdringt, sein Verhalten, sein Befinden und Fühlen bestimmt, kann er glaubwürdiger Zeuge sein. Zum zweiten: Es gibt keinen anderen Erlöser als Jesus Christus. Auch indem der Priester wirkt, muß Jesus Christus es sein, der in seinem Wirken durchscheint, durchkommt, als der wahrhaft Wirkende ins Spiel kommt. Wie kann der Priester sich so ganz hineingeben in sein Zeugnis und – dieses Paradox gehört zum Wesen des Zeugnisses – sich zugleich so zurücknehmen, daß in diesem Zeugnis der Bezeugte stärker ist als der Zeuge, sich selbst durch ihn hindurch bezeugt? Zum dritten: Es gibt auch im Tun des Priesters keinen anderen Weg, Erlösung zu bezeugen, als jenen, den in seinem erlösenden Wirken der Erlöser selber einschlug. Wie kann das pastorale Wirken des Priesters der Pastoral Jesu selbst entsprechen, an ihr Maß nehmen?