Volk Gottes auf dem Weg

Derselbe Auftrag: Bleibet! – Wandelt euch!

Es liegt also nicht zuerst an der Zeit, sondern am Herrn, daß die Kirche unterwegs ist. Aber gerade weil es am Herrn liegt, liegt es auch an der Zeit: denn der Herr selbst hat sich hineingegeben in die Zeit, das Wort ist Fleisch geworden (vgl. Joh 1,14), der Sohn hat Knechtsgestalt angenommen (vgl. Phil 2,7), in allem uns gleich außer der Sünde (vgl. Hebr 2,17). Die Bewegung seiner Hingabe, seines Sich-Einsmachens mit dem Menschen in seiner Geschichtlichkeit reicht notwendigerweise über den Zeitraum des irdischen Lebens Jesu hinaus, wird im Auftrag, daß wir lieben, wie er liebte, auch zum Auftrag an die Kirche. Sie hat ihre Botschaft und in ihr sich selbst je neu zu „übersetzen“. Dabei darf sie das „Original“ der Übersetzung, die eine und bleibende Botschaft des Herrn, niemals verraten und vergessen, sie darf aber ebensowenig jene vergessen und verraten, denen sie das Wort übersetzt. In sie, in ihr Leben, in ihre Verstehensmöglichkeiten muß sie hineinhören, mitten in ihrer Welt muß sie ihren Stand haben, um die Übersetzung leisten zu können, die ihr aufgetragen ist.

Dann aber wird deutlich, daß Wandelbares und Unwandelbares in der Kirche sich nicht wie Schale und Kern zueinander verhalten, daß es nicht ein paar oder auch sehr viele unwandelbare Elemente in ihr gibt und daneben ein zeitbedingtes „Zusatzprogramm“. Vielmehr ist die Kirche in ihrem Wesen bleibend und geschichtlich zugleich, dasselbe, mehr noch: derselbe trägt ihr beides auf: die Treue zum Ursprung und Ziel und die Treue zum je neuen, je sich wandelnden Jetzt.

Nur auf dem Hintergrund dieser Überlegung kann das Gestern, das Heute und das Morgen der Kirche gemäß gesehen, kann Kirche auf dem Wege, kann der Weg der Kirche verstanden, gegangen und mitdenkend und mittuend verantwortet werden.

Das Wirken des Geistes Jesu in uns, der uns an sein Wort erinnert (vgl. Joh 14,26) und es so bewahrt und der aus diesem Wort die im­mer neue Gestalt der Kirche erwachsen läßt, drückt sich unmittelbar aus in Glaube, Hoffnung und Liebe. Der Glaube verankert uns in [9] den Grund, der ein für allemal gelegt ist; die Hoffnung spannt uns aus auf das unverrückbare Ziel; die Liebe selbst ist jenes, was „bleibt“, wenn alles andere vergeht (vgl. 1 Kor 13). Glaube, Hoffnung und Liebe sind aber ebenso jene Kräfte, die uns auf dem Wege halten, die uns nach vorn weiterführen, die jeden Stillstand und je­den behäbigen Besitz ausschließen. Die Kirche auf dem Wege, auf dem immer selben und so immer neuen Wege, ist also Kirche des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Als solche soll sie im folgenden bedacht werden.