Verkündigung und Dialog
Dialog als Nachgeschichte der Verkündigung*
Dialog ist aber auch – letztes Glied unserer These – Nachgeschichte von Verkündigung. Im Ansatz haben wir dies bereits beobachtet. Die Voraussetzung ist ja doch eine wechselseitige: Nur was menschlichen Verstehensmöglichkeiten und Erwartungshorizonten wie auch immer entspricht, kann hineingesprochen werden in sie. Das Hören geht nicht nur dem Glauben auf der Seite des Glaubenden, das Hören geht auch dem Verkünden auf der Seite des Verkündenden notwendig voraus. Doch umgekehrt wird solches Hineinhören des Verkünders in die Sprach- und Lebenswelt derer, denen verkündet werden soll, erst angestoßen, weil eben der Anruf und die Sendung zur Verkündigung, die innere Dynamik des Glaubens auf Verkündi- [72] gung hin in ihm selber bereits leben. Der Ansatz von Verkündigung ist also bereits geschehen, wenn der Dialog anhebt, der innere Vorgeschichte und Geschichte der Verkündigung selber ist – diese Vorgeschichte und Geschichte sind insofern selber Nachgeschichte des Auftrags und der Bereitschaft, zu verkündigen. Und dieser Auftrag und diese Bereitschaft des Verkündigers sind eingepflanzt in den Boden seines Glaubens, welcher seinerseits angenommene, beantwortete Verkündigung ist.
Aber noch in einem anderen Sinn muß von Dialog als Nachgeschichte der Verkündigung gesprochen werden. Sobald Verkündigung geschieht, löst sie nicht nur jenen Dialog aus, der beim Hörenden die Vorgeschichte seines von der Verkündigung intendierten Glaubens ist, sondern sie führt auch jenen Dialog beim schon gläubigen Hörer herauf, der das Verkündete und Geglaubte konfrontiert mit dem Gesamt seiner Glaubens- und auch seiner Lebens- und Welterfahrung. Glaube übersetzt sich nach innen in seine immer tiefere Selbstdurchdringung (intellectus fidei) und Weltdurchdringung. Zwischen Glaube und Glaubensbekenntnis, Glaube und Glaubenszeugnis, Glaube und seiner Weltgestalt liegt also jeweils auch ein Dialog, der Dialog innerhalb des Glaubens, der Verkündigung voraussetzt und in dem Verkündigung sich fortsetzt, in ihr Ziel führt.
Es könnte problematisch erscheinen, hier von Dialog zu sprechen, weil – wie übrigens auch auf den voraufgehenden Stufen von Dialog – man sich auch die Diskussion und Erwägung unterschiedlicher Gedanken, Erfahrungen und Gesichtspunkte im je nur einzelnen, in seiner Innerlichkeit vorstellen kann. Und doch ist das Wort Dialog hier nicht nur platonisch gemeint. Denn selbst wenn der einzelne die genannten dialogischen Vorgänge innerhalb seiner Innerlichkeit allein durchliefe, so griffe er doch je hierbei ihm zugekommene, nicht in ihm allein wurzelnde, ihn übersteigende Erfahrungen, Ansprüche und Möglichkeiten auf; Glaubensentscheidung, Glaubensvollzug und Glaubensverwirklichung sind Antwort nicht nur gegenüber dem Anspruch Gottes, sondern auch gegenüber den mannigfachen Angeboten und Anfragen der Welt. Und überdies, ja vor allem ist Kirche selbst als Raum des Bekenntnisses und der Verkündigung Raum des Dialoges. Präkatechumenales und katechumenales Geschehen, die Diskussion zwischen Glaubenswissen und Weltwissen, zwischen Glaubensanspruch und Lebenserfahrung, zwischen unterschiedlichen Artikulierungen des Glaubensverstehens – dies alles gehört nicht als Appendix, sondern als konstitutive Geschichte, Vor- und Nachgeschichte von Glaube und Bekenntnis zum Selbstvollzug der Kirche hinzu.