Trinität – Die Suche nach dem Ursprung bei Klaus Hemmerle

Die Angst des Menschen

Dieses gerade beschriebene Leben der Einheit ist jedoch gefährdet, bedroht, der Angst ausgesetzt. Viele Menschen entbehren die Weite des „Ich denke“ im Sinne von Hemmerle. Für sie ist Gott weit weg, für sie ist die Zukunft ein dunkles Loch. Die modernen Erkenntnisse der Astronomie zeigen an, dass unser Sonnensystem und auch das Milchstraßensystem und überhaupt das gesamte ‚einseh-bare‘ Universum, endlich sind. Obwohl sie sich nach dem Urknall weiter ausdehnen, ist das Ende berechenbar. Die gesamte Materie und Wirklichkeit wird verschluckt von einem schwarzen Loch, aus dem eventuell neue Welten entstehen.

Wie soll sich da ein Mensch noch vorstellen können, dass er als Einzelner, als Individuum, als Person oder eben auch als Gemeinschaft oder Familie eine echte personale Zukunft haben kann? Es wird am Ende doch alles verschluckt. Wenn unsere Zukunft ‚weg‘ ist, können wir dann noch unsere Toten, anders als unsere Voreltern es getan haben, einfach der Erde anvertrauen, in der Hoffnung, dass Gott sie herausholen und auferwecken wird? Kann man es den Menschen verdenken, dass sie anonym bestattet werden wollen oder das Ausgestreut-Werden auf hoher See bevorzugen?

Ein weiteres Problem, das in unseren Tagen immer greifbarer wird, ist die Komplexität der globalisierten Welt. Ich kann in großer Sparsamkeit und in einem alternativen Lebensstil für meine eigene Zukunft im Alter Rücklagen bilden und Geld anlegen – und muss dann erfahren, dass wegen einer Finanzkrise in einem fernen Land, meine Bank ins Trudeln gerät und zahlungsunfähig wird. Meine Ersparnisse verschwinden in einem schwarzen Loch.

Wir haben gebundene Hände. Wir meinen, nichts ausrichten zu können. Wir erleben sehenden Auges, dass die Welt irgendwo hinläuft, wohin wir nicht wollen. Alles läuft nach einem von uns nicht kontrollierbaren Programm ab, erscheint vorprogrammiert. Ich kann verstehen, dass Menschen an der Zukunft verzweifeln. Ich kann verstehen, dass Jugendliche das Wort von der absoluten Zukunft, die Gott ist, nicht aufnehmen können, ja, dass es sie einfach nicht erreicht.

Viele Menschen erleben die Freiheit, die ihnen das Grundgesetz zuspricht und die sie von der Gesellschaft einfordern, als Schein-Freiheit. Jeder Mensch stößt in seinem Leben immer wieder an Grenzen, die mit seiner Herkunft, seiner Erziehung, seiner Religion und seiner Bildung zusammen hängen. Die Begrenzungen durch die Lebensgeschichte können so stark sein, dass der Mensch daran verzweifeln kann und es ihm nicht gelingt, seinem eigenen Leben eine persönlich verantwortete Gestalt zu geben. Dies gilt gerade auch für Menschen, welche die Religion unter dem Vorzeichen des Fundamentalismus erlebt haben. Der Druck der scheinbar religiös motivierten Gesellschaft auf das Individuum bewirkt in vielen Fällen Resignation, Rückzug ins Säkulare und extreme Hoffnungslosigkeit. Es ist verständlich, dass Menschen in dieser Situation einfach keine Chance haben, an Gott als ihre Zukunft zu glauben.

In diesem Zusammenhang zeigt das Denken von Klaus Hemmerle einen ungeheuren Spagat an. Er formuliert: „Umkehr zum Ursprung, der Zukunft ist, dies ist die Gangart des Lebens.“ Für ihn liegt diese Zukunft im dreifaltigen Gott.