Die Bewegung der Focolarini und die Priester

Die Berufung zur Einheit und die vielen Berufungen

Wie die Spiritualität dieser Priester, so ist auch die äußere Gestalt ihrer Gemeinschaft vom Grundgedanken der Einheit geprägt. Sie umfaßt nicht nur Priester vieler Nationen, sondern – und dies ist das Neuartige – Priester verschiedener Orden und Kongregationen und Weltpriester.

Wohl gibt es in der Kirche vielerlei Berufungen und Gnadengaben, aber in allen waltet der eine Geist, die eine gemeinsame Ur-Berufung zur Kindschaft Gottes (vgl. Eph 4,1–6). Ehe wir Priester sind oder Laien, Ordens- oder Weltleute, sind wir Kinder Gottes und als solche Brüder und Schwestern. Die dem entsprechende erste Berufung, die durch keine andere aufgehoben oder vermindert werden kann, ist daher die zur gegenseitigen Liebe. Die innerste Verpflichtung, die in allem anderen lebt, ist die des neuen Gebots Jesu. Die besondere Berufung schließt die Berufung zur Einheit in der Liebe nicht aus, sondern ein. Wenn die Bewegung der Focolarini es als ihre besondere Berufung versteht, diese erste und allgemeine Berufung inmitten unserer Welt sichtbar zu machen, so geschieht dies sinnvollerweise gerade dadurch, daß Menschen aller Nationalitäten und Klassen, aber auch aller Stände und Gliederungen innerhalb der Kirche sich in ihr zusammenfinden.

Alle Getauften sind eins in der Berufung zur einen Gotteskindschaft; noch inniger geeint sind alle Priester durch ihre Berufung zum einen Priestertum Christi. Ihre Aufgabe ist es, die von ihm gestiftete Einheit zwischen Gott und den Menschen immer neu durch Sakrament, Verkündigung und Hirtensorge lebendig zu machen und die so mit Gott Geeinten auch in der Einheit miteinander zu halten als die eine Herde des einen Hirten (vgl. Joh 10,16). Dies können sie glaubhaft allein tun, indem sie selbst das Beispiel der Einheit geben. Nur wenn in allen Priestern das eine Hohepriestertum Jesu aufstrahlt, sieht die Welt in ihnen Jesus und nicht bloß den Menschen. Dies erfordert aber ein letztes Einssein der Priester miteinander.

Umgekehrt empfängt gerade aus der Einheit in der allen gemeinsamen Berufung die Fülle der besonderen Berufungen ihren auferbauenden Sinn für das gesamte Leben in der Kirche. Auch die Vielfalt der Orden und religiösen Genossenschaften ist nichts [180] anderes als die Entfaltung der einen Liebe in die vielen einzelnen Aspekte hinein, die sie keimhaft umschließt.

Die in der Liturgie sich kristallisierende Familiengemeinschaft eines benediktinischen Klosters, die Öffnung für Gott und Welt in der selbstlosen Armut des heiligen Franz, die Weitergabe des in der Kontemplation Gewonnenen im Geiste des heiligen Dominikus, der Gehorsam der Söhne des heiligen Ignatius in der restlosen Verfügbarkeit für die Kirche, das Leben der Karmelitinnen, die sich als Wurzeln für das Wachstum der Kirche in die Verborgenheit des Betens und Opferns eingraben – dies alles, um nur einiges zu nennen, hat doch eine einzige Quelle und Mitte, die Liebe, wie Christus geliebt hat, und ist so zu jener Einheit berufen, in deren Mitte er selber wohnt. Das Ideal der Einheit hilft dazu, das Ideal des eigenen Ordens neu und tiefer zu leben und aus der Einheit mit den anderen heraus die Einheit auch innerhalb der eigenen Kommunität zu tragen und zu fördern. Indem jeder darauf achtet, in seiner Berufung die Berufung aller zur Einheit in der Liebe aufleuchten zu lassen, teilt er den anderen vom eigenen Reichtum mit und wird offen, aus dem ihren wiederum zu empfangen.

Die scheinbaren äußeren Schwierigkeiten, aus einem Orden oder einer Gruppe heraus Beziehung zu anderen zu pflegen, finden dort ihre organische Lösung, wo man bereit ist, auf allen individuellen oder Gruppen-Egoismus zu verzichten.