Glauben – wie geht das?

Die Einheit des Osterzeugnisses

Leben mit dem, der lebt – das bedeutet Unmittelbarkeit zu ihm, lebendige Nähe. Es bedeutet aber ebenso Annahme eines Zeugnisses. Der jetzt lebt, mit dem wir leben sollen, er ist ein für allemal in sein Leben hineingegangen durch den Tod. Er hat, vom Vater auferweckt, sich Zeugen kundgetan, diese Zeugen haben sich mit ihrem Wort, mit ihrem Leben und mit ihrem Blut für seine Auferweckung eingesetzt, und auf dem Fundament ihres Zeugnisses steht christlicher Glaube.

Ehe wir also uns der Frage zuwenden, wie österlicher Glaube, wie Leben mit dem lebendigen Herrn geht, wollen wir uns dem Zeugnis zuwenden, auf dem unser Glaube beruht.

Und hier machen wir eine erstaunliche Entdeckung. So reich das Neue Testament an unterschiedlichen Theologien ist, in denen sich die eine Botschaft verfaßt und hineinsagt in die vielfältigen Verstehens- und Erfahrensweisen der Menschen, so deutlich gibt es doch durch alle Schichten und Theologien hindurch eine Grundbotschaft, die über die Vielfalt ihrer Interpretation hinausragt. Diese Grundbotschaft heißt: Gott hat Jesus von den Toten erweckt.

Sprachlich wird diese Grundform der Botschaft durch einige wenige andere Motive ergänzt: Auferstehen (vgl. Mk 8,31; 9,9f.31; 10,34; Lk 18,33; 24,7.46; Joh 20,9; Apg 10,41; 17,3; 1 Thess 4,14; aktiv Apg 2,24; 13,33f.; 17,31; dann das Hauptwort z. B. in Apg 1,22; 2,31; Röm 1,4; 6,5; Phil 3,10; 1 Petr 1,3; 3,21); Erhöhung (vgl. Phil 2,9; Joh 12,32); Rechtfertigung und Aufnahme (1 Tim 3,16); schließlich Verherrlichung (breit bei Johannes). Doch auch diese Modelle haben jene konkrete Nach- oder besser Neugeschichte im Blick, in welche Jesus durch seinen Tod hinein [93] eingetreten ist und in der er sich lebendig, begegnend, identisch, ganz er selbst, bezeugt hat. Die Einheit des Osterglaubens, die Einheit des Glaubens daran, daß Jesus und nicht nur etwas von ihm in die neue, endgültige, göttliche Ordnung des Lebens eingetreten ist, muß als das gemeinsame und unerschütterliche Fundament allen christlichen Glaubens von seiner ursprünglichen Bezeugung her anerkannt werden. Man könnte formulieren, daß die Einheit des Neuen Testaments elementar die Einheit des Glaubens an die Auferweckung Jesu ist.

Diese Einheit bekundet sich indessen nicht nur durch die Fülle jener Formeln, die ausdrücklich oder mittelbar das Urzeugnis und die Urüberzeugung neutestamentlichen Glaubens wiedergeben. Nicht weniger eindrucksvoll ist es, den Osterglauben als die durchgängige Perspektive zu sehen, unter der das Gesamt neutestamentlichen Zeugnisses und seiner theologischen Ausformung steht.

Die Erzählperspektive der Evangelien – wir sprachen im Zusammenhang auf die Passion bereits davon – ist bestimmt durch Kreuz und Auferstehung. Rückt in der Gliederung der Evangelien das Zulaufen auf die Passion in den Vordergrund, so in der kompositorischen Form der einzelnen Geschichte eher das „Österliche“. Sicherlich wird erzählt, was Jesus damals sagte und damals tat, aber es wird uns erzählt von einem, der jetzt lebt, der jetzt seine Botschaft der Gemeinde und den einzelnen Glaubenden weitersagt und der jetzt erbarmend, richtend, rettend in unser Leben eintritt, wie er damals ins Leben des berufenen Jüngers, des angenommenen Sünders, des zur Umkehr und Besinnung gerufenen Kritikers oder Selbstgerechten eintrat. Wie sehr Apostelgeschichte und Geheime Offenbarung aus dem Blickwinkel von Ostern, aus der Gemeinschaft mit dem erhöhten Herrn sprechen, liegt auf der Hand. Ebenso richten sich die Briefe des Neuen Testamentes an Gemeinden, deren Achse und Mitte der in ihnen lebendige Herr ist. Es gilt, mit ihm zu leben, auf ihn zu schauen, sich für sein Kommen zu bereiten, das Zeugnis seiner Macht und Nähe zu geben. Dies ist das Interesse der Briefe insgesamt.

An die Auferstehung wird unmittelbar erinnert in schon gepräg- [94] ten Formeln, die als elementare Glaubensbekenntnisse erster Gemeinden den Briefen bereits vorausgehen (um hierfür einige Beispiele zu nennen: 1 Kor 12,3; 15,3f.; Röm 1, 3f.; Phil 2,6–11; 1 Tim 3, 16; 1 Petr 2,22–24).

Der angedeutete Befund, der Osterglaube als die gemeinsame Basis und das gemeinsame Grundinteresse des neutestamentlichen Zeugnisses in seiner ganzen Breite, macht unsere Frage um so dringlicher: wie geht dieser österliche Glaube, wie geht das Leben mit dem lebendigen Herrn?