Christus nachgehen
Die Frage der jungen Menschen nach dem Weg
Gehen wir nochmals einen Schritt weiter in die Situation zurück. Das Wirklichkeitsverständnis des Menschen von heute, das sich wie in einem Brennpunkt in dem der Jugend konzentriert, hat zu tun mit dem Wort „Weg“. Die Welt ist nicht mehr ein rasch überschaubarer, vorgegebener Kosmos, in dem jedes seinen eigenen Stellenwert, jedes seinen festgeschriebenen Ort und Rang hat. Unzählige Bahnen der Kommunikation durchziehen die Welt, und auf ihnen setzen sich nun alle zu allen in Bewegung und Beziehung. Alle hängen von allen ab im weltumspannenden Prozeß von Produktion, Konsum und Austausch. Die Zeit zur beruhigten Frage „Was ist das?“ bleibt nicht mehr. Nur noch die eine Frage ist möglich: Wie geht das? Die Bewegung auf den unzähligen Wegen, die uns in Information, Verkehr, Arbeit, Wirtschaft, Kultur verbinden, bewirkt eine [32] so hohe Mobilität unseres gesamten Lebens, daß dies gerade dadurch in eine neue Stagnation zu geraten droht. Wir kennen dieses Phänomen: Überrasche Bewegung sieht aus wie Stillstand. Das Überangebot von Kommunikation führt zur großen Einsamkeit, die ständige Bewegung läßt uns Aufbruch und Ankunft nie mehr erfahren, alles ist Durchgangsstation – und so bleibt alles, indem sich alles ändert, im Grunde stets beim selben. Es läuft alles auf vollen Touren – und gerade so entsteht der Eindruck des Leerlaufs.
Nicht nur von der real in Sicht kommenden Möglichkeit des Endes aller Produktion und allen Konsums, sondern auch vom inneren Tempo dieses Lebens her scheint es nicht mehr weiterzugehen. Die Frage nach der Zukunft wird bedrängend. Sie ist zutiefst die Frage nach dem Sinn, und das heißt die Frage nach dem Wohin. Alles bewegt sich, aber wohin bewegt diese rasende Bewegung sich? Im Erschrecken vor dieser Frage, die aus sich selbst keine Antwort entläßt, erstarrt der Mensch, hat er den Eindruck: Es geht nicht weiter. Hier haben die Resignation so vieler junger Menschen, hier auch ihr Drängen nach einer Antwort auf die Sinnfrage, ihr Aufbruch in die Zukunft die Wurzeln.
Wird der christliche Glaube ihnen die plausible Antwort geben? Der Eindruck, daß christlicher Glaube nicht geht, daß er keinen Weg weist, den der [33] Mensch gehen kann, ist daher so gefährlich – und doch nicht minder gefährlich ist das andere, ist die Kleinlichkeit, den ganzen, radikalen Weg des Glaubens durch ein paar Gehübungen abzulösen, die nicht von der Stelle führen. Die anthropologische Grundsituation – und auch die geistesgeschichtliche mit ihren sich ablösenden Entwürfen philosophischen Denkens – legt es uns nahe, eine Theologie des Weges zu entfalten, eine Theologie, die zeigt, wie Christentum geht. Die hartnäckige Ehrlichkeit der jungen Generation fordert uns hierzu heraus. Denn nur, was sie in einen konkreten Weg einlösen kann, akzeptiert sie als wirklich. Nur was ihr einen Weg weist, tut sie nicht als ideologische Vertröstung ab.