Geschichte des Glaubens – Geschichte des Geglaubten?

Die Geschichte des Ursprungs als Geschichte des Gekommenen, des Begegnenden und des Kommenden*

In einem so durch diese zwei Zwischenüberlegungen vorbereiteten siebten Schritt läßt sich daher die These wagen, daß derjenige, dessen Name ist: „Ich bin der ‚Ich-bin-da', ‚Ich werde sein als der ich sein werde'“, in diesem seinem Namen uns die genannten [235] drei Vorgänge als seine eigene Geschichte geoffenbart hat. Er hat es gesagt, und deswegen wird er es sein. Ich werde es erfahren, wenn ich mich auf ihn einlasse. Er hat mich auf den Weg geschickt, und deswegen werde ich es an den Wendungen des Wegs erfahren. Er hat sich dahinein vorenthalten, daß er mir nichts anderes als diese Zusage und in ihr sich selber gibt, nämlich die Zukünftigkeit, in welcher er sich zugleich absolut vorenthält und hinhält. Gerade in diesem Vorenthaltensein werde ich es entdecken, ich muß bei seinem Namen bleiben. Ich kann nicht anders als in allem diesen seinen Namen lesen, d. h. alles, was mir widerfährt, es mag doch immer sein, was es ist, gerade in seiner Neuartigkeit auf mich zukommen lassen, aber in allem den Namen entdecken, der am Anfang steht. Sodann kann ich nicht anders als je jetzt gehen, je jetzt auf dem Weg sein. Denn wenn ich mich nicht senden lasse und nicht gehe, wenn ich mich nicht einlasse und es nicht wage, dieses „Ich bin der ‚Ich-bin-da'“ auch im geringsten Bruder, auch im befremdlichen Chaos und Hiatus seiner Abwesenheit zu verifizieren, wenn ich es jetzt nicht tue, dann bin ich nicht auf diesem Weg. Er ist derjenige, der jetzt dieses sagt: „Ich bin da“, der gerade in dem Befremdlichen sagt: „Ich bin da“, der dieses gerade in der Vorenthaltenheit des Jetzt sagt. Und schließlich löse ich diesen Gottesnamen nie ein, werde ich in meinem Glauben mit diesem Gott nie fertig, sondern bin ich als Glaubender an die unabsehbar neue Erfahrung dieses „Ich bin da“ freigegeben.

Als Christ aber darf ich nun den Menschen Jesus als den sehen, in dem dieses „Ich bin da“ mir als Wort zugesagt ist. In dem Ein- für allemal, in dem ich der Übernommene bin, beziehe ich mich nicht auf eine bloße Vergangenheit zurück, sondern begegne ich dem Herrn im je Jetzigen. Ich bin nur dann Christ, wenn ich mich nicht nur historisch auf Jesus zurückbeziehe, sondern wenn ich ihn gerade jetzt in der Mitte, im Nächsten, in seinem Wort suche und ihm in dieser je neuen unabschließbaren Gegenwart begegne. Und als Christ bin ich von ihm gehalten, zu warten und zu wachen. Die Wachsamkeit ist eine Grundkategorie des christlichen Glaubens. Wachen heißt des Ungewärtigbaren gewärtig zu sein, dessen, was ich nie ableiten kann. Weil es schon da ist – Jesus hat gesagt: Ich komme im Geringsten, ich [236] komme in der Stunde, da ihr mich nicht vermutet –, wird die Überraschung nicht geringer, sondern wird die Überraschung je größer sein. Ich bin im Glauben des Unabschließbaren gewärtig. Der „Ich bin da“ und sein Dasein, das sich mir hinhält in Jesus, dies ist die Dreigestaltigkeit des Gekommenen, des mir Begegnenden und des Kommenden.