Theologie in Fragmenten
Die innere Dramatik des Gedankens
Der „aufgehobene Widerstand“ bestimmt die seiner zur Gestaltung bedürfende Freiheit, sie wird als poietische und nicht primär als Beziehung gedacht. Es gehört zur Gestaltung, das Andere, das zu Gestaltende zu wollen; dieses Andere aber wird aus seinem Ursprung pro-duziert, die Voraussetzung dieses Anderen ist das Selbstverhältnis des Ursprungs, das sich als bloßes Selbstverhältnis negieren muß. Ich will das Andere, das heißt: ich will nicht nur mich. Das heißt freilich des weiteren: ich komme auf meinem Weg zum Anderen mir selbst in die „Quere“, erfahre meine Selbstheit als den ursprünglichen Widerstand. Dieser Widerstand ist die Stelle, an der der „Durchbruch“ der Produktion geschehen muß; in solchem Durchbruch verwandelt sich der Widerstand in die positive Kraft, ins Substrat der Gestaltung.[25]
Das hier im Blick auf den Hervorgang des Anderen Skizzierte spielt bei Baader ebenso konstitutiv, ja primär seine Rolle für die Selbstgestaltung, will sagen für den Aufgang des eigenen Selbst: ich bin mir der Befremdende, Andere auf dem Weg zu mir selbst. Daran zeigt sich nur um so schärfer, worum es in unserem Zusammenhang geht: das Andere wird vom Selbst her, Beziehung wird vom Selbstverhältnis her, Geschichte wird von Natur her gedacht. Dies ist keineswegs ein „Fehler“, wohl aber ist es die Grenze, die sich von innen her in Baaders Wollen, die Unableitbarkeit des Geschehenden, die Andersheit des Anderen zu denken, einträgt. Der Gedanke der Produktion bleibt im letzten Gedanke der Reduktion. Ein Phänomen, das beim Bedenken des Anfangens, bei der Darstellung des Durchgangs der Gestaltung durch den Widerstand für Baader zentral wird, ist die Angst.[26] Diese Angst wird von Baader deshalb thematisiert, weil sie die Unselbstverständlichkeit gelingenden Schaffens, aber auch gelingenden Selbstseins markiert. Sie ist ihm eine kritische Anfrage an die sich in sich selber schließenden Systeme neuzeitli- [172] cher Metaphysik, zumal des deutschen Idealismus. Es erhebt sich indessen die Gegenfrage, ob nicht diese Angst, die Baader vor Kierkegaard (der Baaders Gedanken kannte) artikuliert, einen Grundzug, eine latente Gemeinsamkeit neuzeitlicher Metaphysik zutage fördert: die Unselbstverständlichkeit der Subjektivität, die sich als alleinige setzt und in sich alles hineinsetzt. Das cartesianische Streben nach Gewißheit, der versichernde Einschluß ins Ego geschieht doch um des Ausschlusses von Unsicherheit willen. Pascals Aufdeckung der Situation des Menschen zwischen der doppelten Unendlichkeit[27] ist von der neuzeitlichen Urerfahrung der Leere geprägt, in die sich das Subjekt gestoßen, in der es sich allein findet. Und noch der Gott Kants bestätigt unerwartet diese Grundbefindlichkeit des Subjekts im Gedanken der Neuzeit, wenn er angesichts seines Seins von Ewigkeit zu Ewigkeit, angesichts seiner Aseität und Allursächlichkeit fragt: Woher bin denn ich?[28]
Wenn der endlichen oder unbedingten Subjektivität nichts anderes übrig bleibt, als zu produzieren, somit aber alles auf sich zu reduzieren, um nicht allein zu sein, bleibt sie allein.