Wert und Wirkungen der Religion

Die innere Logik der Religion

Religion hat nur dann Sinn, Religion ist nur dann wahrhaft Religion, wenn in ihr das Verhältnis zu Gott, zu dem sie konstituierenden Geheimnis, den ersten Platz in der Wertehierarchie einnimmt, und dies nicht nur im Sinne eines relativen Vorrangs, sondern im Sinne eines absoluten Ranges.

Gott ist Gott zu 100 Prozent, oder er ist es nicht. Pascals Argument von der Wette (vgl. Fragment 233 der Pensées, ed. L. Brunschvicg), das scheinbar – im Grunde ironisch – auf ein anderes, instrumentalisierendes, am eigenen Interesse orientiertes Verhalten zu Gott angelegt ist, macht dies deutlich. Die innere Logik der Religion verbietet, religiöse [44] Versicherungen abzuschließen, damit Leben und Heil nicht verlorengehen: Das Gottesverhältnis schließt Vorbehalte aus. Gott ist ganz Gott und deswegen Gott des Ganzen. Die religiöse Frage kann von ihrer inneren Logik her nicht in einer neutralen Schwebe belassen bleiben, sie ist vielmehr eine Frage, in welcher einfach de facto Position bezogen wird. Dies schließt die Not und Unabgeschlossenheit des Strebens und Ringens nicht aus, wohl aber das Sich-Beruhigen oder Sich-Begnügen mit vornehmer Zurückhaltung oder halbherzigem „Mitnehmen“ religiöser Elemente in ein von anderen Prinzipien bestimmtes Denken und Leben.

Wie sehr diese aus der inneren Logik der Religion als einer solchen gewonnene Feststellung zu den konkreten Verhaltens- und Verständnisweisen in unserer Gesellschaft in Spannung steht, liegt offen zutage. Es verbietet sich jedoch, diese immanente Wertsetzung der Religion als zelotisch oder fanatisch abzutun, da es keineswegs darum geht, andere als religiöse Grundorientierungen zu verwerfen und einen ernsten Dialog zu verweigern, sondern darum, den immanenten Anspruch von Religion deutlich zu machen. Und in ihm ist die letzte, ganze, unbedingte Verankerung der Wertsetzungen und des Wertverhaltens in Gott, im Heiligen, im Absoluten mit eingeschlossen.