Geschichte des Glaubens – Geschichte des Geglaubten?

Die innere Umkehr von Zeit im Überlieferungsgeschehen des Glaubens: Anfang in der Zukunft*

Warum ist dieser Vers für unsere Frage so wichtig? Das ist der erste von acht Gedankenschritten, die ich locker aneinandergefügt mit Ihnen versuchen möchte. Wenn ich glaube, glaube ich, daß derjenige gesprochen hat, der Zukunft ist und Zukunft gibt. Wenn derjenige zu mir gesprochen hat, der Zukunft gibt und Zukunft ist, dann spricht er doch zu mir: Tu meine Zukunft und gib meine Zukunft weiter! Ich kann gar nicht glauben, wenn ich nicht diesen Glauben auf Zukunft hin verstehe. Ich muß ihn auf Zukunft hin verstehen, aber nicht im Sinne eines bloßen Verstehens, sondern des Ergreifens, so daß mein Leben und Gehen anders gehen, weil ich glaube, – daß meine Zukunft anders geht, weil ich glaube. Darin liegt beschlossen: Mein Glaube ist ein Hingehen zu den Kommenden. In anderen Worten: Mission und Bezeugung sind kein äußerer Zusatz zum Glauben, sondern der Vollzug des Glaubens. Ich möchte nicht ausfalten, inwiefern gerade im Glauben Israels dieser Zusammenhang ganz zentral ist und inwiefern auch im christlichen Glauben – daß der Kommende gekommen ist, dies aber eben so, daß er kommen wird – dieser Sendungsbefehl wesentlich zum Glauben hinzugehört: Wenn du die Zukunft in dir trägst, dann gib sie an die Kommenden weiter! Gib die Zukunft an sich selber weiter! Glaube bedeutet, so betrachtet, die Verbrennung der alten Zukunft in der neuen. Ich verbrenne die Zukunft, wie ich sie bislang mir entworfen hatte, wie ich sie bislang befürchtet, erhofft, gemacht, vermieden, probiert hätte; ich verbrenne diese Zukunft, die ich mir selber aus mir allein und die sich mir mit den Konstellationen meiner Welt gegeben hätte, in eine neue Zukunft, die sich mir zuspricht, weil Er mich anspricht. Glaube als Gegenwart besagt hier die Vergangenheit der Zukunft in die Zukunft hinein: Zukunft, die ich hatte, ist vergangen in neue Zukunft hinein, die nicht ich mache, sondern die mir zugesprochen ist. Daher ist der Überlieferungsvorgang, d. i. der Vorgang, in dem ich meinen Glauben verkünde und in eine Geschichte des Glaubens hineingehe, unausweichlich innerer Vollzug von Glaube überhaupt und nicht dessen Zusatz.

Anschaulich für mich ist dieser neue Zukunftsbezug des Glau- [226] bens in dem nicht unproblematischen, aber doch großartigen Bild der Belebung Adams von Michelangelo. Wenn ich einmal dieses Bild vor Augen stellen darf: Es ist sicher ein Bild, das in der lateinischen Schreibweise, die links anfängt und rechts aufhört, drinnen steht; aber derjenige, der der Anfang ist, steht rechts. Gott kommt von rechts ins Bild. Er geht nach rechts, er geht von links nach rechts. Und er beugt sich zurück in die linke Bildhälfte und zieht mit seinem Pneuma, mit seinem Atem, den Adam nach. Mit anderen Worten: Der Anfang steht in der Zukunft und holt mich in sich hinein. Die Zukunft spricht sich mir zu. Die Zukunft schenkt sich mir neu. Zukunft wird mir gegeben, aus der Zukunft kommt das Wort. Es ist von seinem Wesen her als das gegebene Wort, das an meinem Anfang steht, Zukunftswort. Dies ist die innere Umkehrung von Zeit, die im glaubenden Sehen von Welt geschieht.