Unterscheidungen
Die Notwendigkeit der Unterscheidung
Es geht im folgenden nicht um die sogenannte „politische Theologie“. Es geht um das Politische als solches. Und es geht gerade deswegen ums Politische, weil uns der Unterschied des Christlichen in den Blick gekommen ist. Das Christliche läßt sich nicht hermeneutisch darauf festlegen, daß es etwas anderes sei als es selbst. Das richtet sich freilich gegen die – nicht notwendig mit jeder Spielart „politischer Theologie“ verbundene – Forderung, das Politische zum hermeneutischen Prinzip des Christlichen zu erheben. Sie würde nicht nur das Christliche, sondern auch das Politische verderben.1 Daß der Christ, weil er Christ ist, nicht an der politischen Verantwortung vorbeigehen kann, versteht sich von selbst; daß christliche Hoffnung, die sich nicht im Maß des Machbaren und Erreichbaren erschöpft, den Realismus, die Menschlichkeit und den unenttäuschbaren Mut zu immer neuem Handeln für den Menschen in der Politik nährt, steht vom Wesen und Anspruch des Christlichen ebenfalls außer Zweifel. Gleichwohl ist das Politische mehr als bloße „Anwendung“ des Christlichen und erschöpft sich das Christliche nicht in dem, was Politik für den Menschen erreichen kann und versuchen darf. Politisches und Christliches können nur dann füreinander fruchtbar werden, wenn sie sich aneinander freigeben, wenn sie sich voneinander unterscheiden, um in solcher Unterscheidung Impuls füreinander zu werden. Impuls füreinander: denn auch das Christliche kann in seinem Verständnis und in seiner Realisierung vom Politischen lernen.
In der nachfolgenden Skizze zur Untersuchung des Politischen geht es nicht darum, für eine politische Wissenschaft oder für eine [113] politische Ethik philosophische und theologische Grundlagen zu erarbeiten; vielmehr soll, ausgehend von der Situation des Politikers und des Politischen in unserer Zeit, eine knappe Phänomenanalyse des Politischen versucht werden. Von ihr führen Linien zum politischen Handeln wie auch zum Selbstverständnis und Selbstvollzug des Christentums. Diese Linien werden freilich in unserem knappen Entwurf nur mehr angedeutet.
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Vgl. hierzu z. B. Rombach, Heinrich: Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg/München 1971, 69–74. ↩︎