Wegmarken der Einheit
Die Perspektive: Jesus im Amt, gesehen mit Jesus in unserer Mitte
Die Sache, das Geheimnis unseres Dienstes sind nicht wir selbst, sondern es ist ein anderer: der Herr. Er soll in uns und [95] durch uns zur Geltung kommen, er in uns will Jesus in den anderen hervorbringen, nähren und wahren. Er im Wort und in der Eucharistie will durch sich selbst, durch sein Wirken in uns, Kirche bauen und Kirche einen.
Dann aber ist es gut, nicht zuerst auf unser Amt zu achten, sondern auf ihn selbst. So aber werden wir gerade auch aufeinander zu achten haben, darauf, daß er selbst in unserer Mitte ist. Dies soll die Perspektive der folgenden Besinnung sein: Jesus in unserer Mitte soll uns Jesus in unserem Dienst entdecken, verstehen und leben lernen.
Wir sehen aus dieser Perspektive nichts anderes, sondern dasselbe neu und tiefer, was die Lehre der Kirche, die Theologie und die Erfahrung, das Leben mit der Sendung und aus der Gnade des Sakramentes uns zeigen. Aber was sonst oft nur wie eine objektive Auskunft aussieht, die neben unserem Leben steht, wie eine Wahrheit in einem oberen Stockwerk unserer Existenz, das wir nur selten betreten, das wird mit Jesus in unserer Mitte zu einem Raum, in dem wir tatsächlich leben, zu einem Boden, auf dem wir uns tatsächlich bewegen, zu einer Quelle, aus der wir andauernd und alltäglich schöpfen.
Jesus in unserer Mitte: Hier dürfen wir zurückgreifen auf die geistliche Erfahrung des Fokolar. Und diese Erfahrung beschreibt von innen her, von ihrer eigenen Geschichte her, eine Wegbahn, die zu einem neuen Sehen Jesu im Amt der Kirche hinführt.
Ich halte es für bemerkenswert: Es waren Gestalten wie ein hl. Franz von Assisi, eine hl. Katharina von Siena, ein hl. Ignatius, die durch ihren lauteren Gehorsam und ihre leidenschaftliche Liebe der Hierarchie einen Spiegel vorhielten, einen klaren Spiegel, in dem Papst und Bischöfe und Priester ihre eigene Berufung, das Antlitz Christi in ihrer eigenen Sendung neu entdecken konnten. Die Spiritualität dieser Heiligen war alles eher als eine bequeme Bestätigung des Bestehenden, sie war im Gegenteil eine neue und ungewohnte [96] Weise, wie Menschen unmittelbar aus dem Evangelium zu leben vermochten. Und gerade diese spontane Nähe zu Jesus und zum Evangelium erschloß diesen Heiligen auch den Weg, neu den Herrn im Amt seiner Kirche zu entdecken. In dieser Linie sehe ich heute auch die Erfahrung, die Chiara Lubich ins Wort bringt, die Erfahrung, wie Jesus in der Mitte der Seinen zum lauteren Spiegel wird, in dem wir unser Antlitz und mehr noch das Antlitz Christi in uns entdecken können.