Erfahrungen mit Wort und Sakrament
Die Sakramente leben
Lassen Sie mich dem noch etwas anders strukturierte Erfahrungen aus dem sakramentalen Bereich hinzufügen. Ich möchte da für mich ebenso in Gemeinschaft gewachsene Tauferfahrungen und Eucharistieerfahrungen kurz benennen.
a) Taufe
Die Tauferfahrung besteht für mich in etwas Merkwürdigem, sie besteht für mich im Leben je aus dem gegenwärtigen Augenblick, sie besteht für mich in so etwas wie einem „Streßfasten“. Wenn ich anfange, etwas zu tun, so probiere ich das, was vorher war, ganz bewußt abzugeben und den, der jetzt kommt, oder das, was jetzt kommt, ebenso bewußt anzunehmen.
Was hat das mit Taufe zu tun? Ich möchte hier die Tatsache, daß ich ein neuer Mensch bin, daß ich Jesus Christus angezogen habe, daß der neue Mensch von ihm her in mir geschaffen ist, realisieren. Ich möchte einfach jetzt nicht aus dem Mitgebrachten an Ängsten, an Vorurteilen, an Erfahrungen reagieren, sondern ich möchte jetzt leben aus ihm, aus seinem Wort, neu gezeugt und neu geboren, jetzt. Und darin [86] möchte ich diese Kindlichkeit Gottes leben, diese Kindlichkeit des Sohnes Gottes, sein Verhältnis zum Vater und zugleich jene Mündigkeit des Sohnes, der eben darin Sohn ist, frei, Erbe (vgl. Gal 4, 1–7).
Und darin ergreife ich, daß ich ja getauft und getaucht bin in diesem Raum Vater, Sohn, Heiliger Geist, in diese Einheit, daß ich in ihr bergenden Lebensraum habe. Daran denke ich oft bei der Kindertaufe; sie sagt mir: du stehst nicht nur in den Abkünftigkeiten, Herkünftigkeiten, Abhängigkeiten deines Lebens, du kleiner Erdenbürger, sondern du bist in diesen neuen Kontext hineingehalten, und in ihm kannst du zu all dem andern frei, gelassen, liebend Stellung nehmen. Du bist in diesen Raum von Geliebtsein, von Einheit hineingehalten. Und so versuche auch ich eben dort, wo immer es möglich ist, diesen Raum von Einheit zwischen Vater und Sohn zu ertasten, diese Einheit in Gang zu bringen. Ich mühe mich, ob nicht irgendwo jenes Symphonein, jenes Zusammenklingen, zustande kommen kann, das nach Mt 18,19 die Vorbedingung des Erhörtwerdens vom Vater und jenes Einsseins miteinander bildet, in welchen der Herr selbst in unserer Mitte sein will (vgl. 18,20).
Immer dieses Streben, im gegenwärtigen Augenblick zu leben und diesen Raum der Einheit nach dem Maß des Vaters und des Sohnes im Geiste wachsen zu lassen, das heißt für mich: Erfahrung mit dem Getauftsein.
b) Eucharistie
Und daraus wächst dann auch eine Dreidimensionalität meines Lebensvollzugs, der sich an der Eucharistie mißt: einmal immer Anbetung, Darbringung, Eucharistia, Danksagung, Hingabe zum Vater. Stimmt das, stehe ich vor ihm? Dann Sendung, Ruf: Gehe ich zum Nächsten hin, gehe ich in dieses Jetzt, gehe ich in diese mir zugewiesene Wirklichkeit? Schließlich: Stehe ich in der Gemeinschaft, suche ich diese Einheit, wie Vater und Sohn eins sind? Mut zum Vater, Mut zur Welt, Mut zum Miteinander? Das ist der elementare, eucharistische, sakramentale, christologische Dreierrhythmus.
Von da aus aber geschieht dann – und das ist vielleicht für mich das Wichtigste, Persönlichste – der Versuch, mit dem, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat, nicht nur, wenn ich die Eucharistie empfange, zu kommunizieren, sondern geistlich gerade auch dort, wo er mir im Alltag begegnet.
[87] An jedem Kreuz hängt er, der alles das, was nicht gut ist, was dunkel ist, was ich nicht kenne, angenommen hat. Er begegnet mir dort, in dem, was eben nicht aufgeht. Da warst Du schon, das hast Du schon genommen, das bist Du, da kommuniziere ich mit Dir, da stelle ich mich in Dich hinein. Die Kommunion mit dem gekreuzigten, verlassenen, hingegebenen Christus, das scheint mir entscheidend, um in Christus, in seinem Leben, in seinem temporalen experimentum per carnem zu sein.
Vielleicht ist dieser persönliche Bericht doch auch ein Hinweis auf etwas Allgemeineres. Die Formel des Bernhard hieße, gelesen auf christliche Erfahrung mit Wort und Sakrament, dann etwa: Was Christus ein für allemal in seinem Wort und in den Sakramenten uns schenkte, das dürfen wir mit den Schritten des Lebens in der Erfahrung des Alltags einholen und bewähren. So wird unser Leben auf analoge Weise experimentum Christi, sein „Wort“ und „Sakrament“.