Merkmale der Kirche – Kennmale des Geistes

Dienst an der Ecclesia catholica – Geist des Ganzen

„Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,10). Eigentlich müßte hier der ganze Text des Epheserbriefes folgen, man könnte ihn als die schlechthin katholische Schrift des Neuen Testamentes bezeichnen. Will sagen: an ihm läßt sich ablesen, was Katholizität der Kirche meint. Oder besser: Daß Kirche nicht nur entweder Weltorganisation mit Ortsvereinen oder umgekehrt Summe in sich geschlossener Gebilde ist, sondern weltweite Communio, wie sie im Petrusamt einerseits und in der Kollegialität der Bischöfe andererseits verfassungsmäßig Ausdruck findet, das hat einen inneren geistlichen Grund, und dieser ist Thema und Botschaft des Epheserbriefs. Seine Grundfrage ist die nach dem Zusammenhang der gesamten Weltgeschichte und der Menschheit. Was hat Gott mit dem Universum, was hat er mit der Menschheit vor? Die Ant- [35] wort ist Jesus Christus. In ihm ist alles zusammengefaßt, in ihm ist der Heilswille Gottes für alle offenbar geworden. In seinem Kreuz hat er die Trennungen überwunden, die Mauern niedergerissen, den Frieden gestiftet, den einen, gemeinsamen Zugang des berufenen Gottesvolkes Israel und jener, die fern und ohne Gott erschienen, der Heiden (vgl. bes. Eph 2) zu Gott eröffnet. So aber springt das Geheimnis Christi wie von selbst über ins Geheimnis der Kirche (vgl. Eph 3–4). Sie ist als die Kirche aus Juden und Griechen Zeichen der versöhnten Menschheit, ist Vorwegnahme, Modell, Ansatzpunkt des universalen Heilsplanes Gottes und sein Werkzeug, seine Stätte inmitten der Geschichte. Dies muß freilich eingelöst werden durch die Weise, wie Kirche lebt. In ihrer Einheit muß die Fülle der Gaben und Dienste gewährleistet sein (vgl. Eph 4); aber auch die verschiedenen Lebenssituationen mitten in der Welt, das Leben in Ehe und Familie, als Herr oder Sklave, sind beansprucht von der neuen Wirklichkeit, die in Jesus Christus angebrochen ist (vgl. Eph 4–6 insgesamt). Von ihm her muß alles neu gesehen, muß alles von seinem Geist durchdrungen werden. Man könnte hier zwei Schichten von Katholizität unterscheiden. Einmal die äußere Katholizität, also Katholizität, sofern sie alle Kulturen, Völker, Traditionen umfaßt (vgl. etwa die eine Kirche aus Juden und Griechen); zum anderen die innere Katholizität, die allüberall, in jeder Gemeinde zu leben ist, also Katholizität als Offenheit für die unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebensbereiche, die vom Evangelium her zu verwandeln sind. Den Menschen in ihren Situationen und Aufgaben nahe sein, ihre Erfahrungen teilen und von innen her für das Evangelium und die Kirche aufschlie- [36] ßen, die Fragen der Zeit und der Gesellschaft an die Kirche und umgekehrt ihre Botschaft an Zeit und Gesellschaft herantragen: das ist elementarer katholischer Dienst des Laien in der Pastoral. Er erfordert die geistliche Kraft, sich auf die Vielfalt der Menschen, ihrer Erfahrungen und Erwartungen einzulassen, ohne sich in ihnen zu verlieren. Mit Paulus gesprochen: Es gilt, „allen alles zu werden“ (vgl. 1 Kor 9,22), sich dem, was auf uns zukommt, und denen, auf die wir zugehen, auszusetzen und zugleich doch nur von Einem ergriffen zu sein und Einem nachzujagen (vgl. Phil 3,7–14). Dieser inneren Katholizität muß freilich auch beim Laien im pastoralen Beruf die äußere katholische Kirche vor Ort zu bauen. Katholizität entsprechen. Nur wer auf die Welt-Kirche schaut, sie im Herzen trägt, die Schicksale und Entwicklungen der Menschheit im Ganzen lebendig begleitet, hat auch Herz und Blick Jesu für den Nächsten und vermag, Wiederum: Nichts ist katholischer als die Eucharistie, in der Gott und Welt, das Einmal und das Immer, Tod und Auferstehung, Gemeinde hier und Gemeinschaft der Heiligen überall in eins kommen. Aber daß Eucharistie katholisch ist, dies muß Gestalt und Leben werden in jenem Leib des Herrn, der die Kirche und deren Glieder wir alle sind. Pastoraler Dienst braucht katholische Spiritualität, Leben aus der Leidenschaft fürs Ganze, Leben der Inkarnation, damit Gottes Wort in allen und allem Fleisch werde.