Musik als Liturgie – Liturgie als Musik

Differenz von Musik und Liturgie

Ehe wir mit knappen Strichen daraus die Konsequenzen ziehen, sei noch der Unterschied betont, der in der wechselseitigen Ineinssetzung von Musik und Liturgie gerade nicht ausgelöscht ist. Musik und Liturgie können einander nicht ersetzen, und wo man sie durch einander zu ersetzen versucht, geht es zum Schaden von beiden und zum Schaden des Menschen. Musik ist ein allgemein menschliches Phänomen, ein essentieller Bestandteil unseres menschlichen Lebens, und ihre vertikale Bedeutsamkeit kann Musik nur bewähren, indem sie als das innere Geheimnis von Musik in ihrem Vollzug verhüllt bleibt. Musik ist Liturgie, indem sie nur in besonderen Augenblicken zeigt, daß sie es wahrhaft ist. Liturgie hingegen lebt von einem Ereignis, das zwar in jenen Strukturmomenten läuft, die wir an der Musik ablasen; dieses Ereignis selbst aber nimmt sich nicht wie das die Musik inspirierende und wachsenlassende zurück in den Vollzug von Musik und in ihre Klanggestalt, sondern es ist die einmalige, zentrale Sache der Liturgie selbst, das, was unmißverständlich und öffentlich in ihr zum Ausdruck kommt. Dieses Ereignis selbst ist das alle Welt und Geschichte für allemal einbegreifende Einmal des göttlichen Heilshandelns in Jesus Christus. Das Musikalische der Liturgie tritt – ohne dadurch verfremdet zu werden – in den Dienst der Präsenz dieses Einmal, in den Dienst der Epiphanie dieser göttlichen Mitte. In aller Schärfe gilt dies – von hier aus haben wir es formuliert – von der christlichen Liturgie. Die Momente der Öffentlichkeit und der Zentralität des heiligen Ereignisses und seiner Epiphanie gelten indessen für Liturgie überhaupt. Das Neue und Überbietende an der christlichen Liturgie: das schlechthin alles einende und vereinigende, unwiederholbare Ereignis konstituiert Liturgie und kommt in der Liturgie zum Austrag. Nicht viele Epiphanien, sondern eine Epiphanie, wenn auch in der zeitlichen und räumlichen Vielfalt des Geschehens, welche Vielfalt aber als communio gerade Aufscheinen der Einzigkeit der Epiphanie ist. Zusammengefaßt: In der Musik scheint in und hinter der Gestalt Ereignis auf, in der Liturgie teilt sich durch Gestalt hindurch Ereignis als es selbst mit. In der Musik hat Gestalt offenbarende, in der Liturgie dienende Funktion. Das aber heißt: bei der Musik steht die Gestalt als solche im Vordergrund, in der Liturgie ist die Gestalt reines Medium, in dem das heilige Ereignis Gestalt werden will – und diese Gestalt sind in letzter Konsequenz wir, die Feiernden selbst.