Pilgerndes Gottesvolk – geeintes Gottesvolk

Dreieinigkeit – Ikone der Kirche*

Trinität als Ikone des pilgernden Gottesvolkes: Wenn die Kirche auf ihrem Pilgerweg zum dreifaltigen Gott hinblickt, dann blickt sie auf sich selbst, gewinnt sie in diesem Blick ihr eigenes Mysterium, holt es herein in ihren Pilgerweg. Doch was sieht sie auf dieser Ikone? Zum einen die machtvolle Liebe des Vaters, die gehorsame Freiheit des Sohnes, den Leben, Einheit und Bewegung spendenden Atem des Geistes und deren unlöslichen Zusammenhang; zum andern sieht sie die Einheit und Einzigkeit jener Liebe, die Gott ist, und aus dieser Einheit heraus gerade die Gleichheit und die Unterschiedenheit von Vater, Sohn und Geist.

Im „Abba, Vater!“ berührt die Kirche den Grund eines nie verlierbaren und enttäuschbaren Vertrauens, aber auch jene tragende Ursprungsmacht, der allein sie sich selbst, ihre Identität, ihren Sinn verdankt. Und sie hat auch selbst Anteil an dieser Vaterschaft im Schenkendürfen des göttlichen Lebens, an dieser haltenden und tragenden Unbeirrbarkeit inmitten aller Unabsehbarkeiten und Wendungen des Weges.

Auf den Vater blickend aber findet die Kirche sich im Sohn, ist sie in die Freiheit des Sohnes, in jene kühne und ausgesetzte, zugleich aber gelassene und geborgene Sohnschaft und Kindschaft gestellt, in welcher sie von innen her sich vom Vater die Stunden und die Stufen des Weges und das Wohin geben läßt, auch wenn sie selbst nicht zu sehen vermag, daß und wie es wei- [362] tergeht. Und in der Öffnung für den Geist entdeckt sie die Vielfalt der Gaben und Kräfte, die dieser Geist schenkt, in ihnen aber diese je eine Witterung, dieses je eine Leben, diese je eine Atmosphäre, welche zur Unterscheidung befähigt zwischen dem, was Gottes ist und was nicht.

Wie aber geht solches Leben, solcher Weg im Namen und in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Geistes? Im Achten auf die Einheit, die Gleichheit und den Unterschied.

Der Grund, der in Gott die absolute Einheit des Wesens, die Gleichheit der Personen und zugleich ihre Unterschiedenheit trägt, ist einer und derselbe, ist kein anderer als Gott selbst, als die Liebe, die Gott ist. Diese Liebe, vollkommene Einheit also, ist aber nur dadurch Liebe und vollkommen und eins, daß sie Ursprünglichkeit ist, die jedoch nicht von sich wegführt, sondern als Ursprünglichkeit, als Selbstmitteilung ihr Entsprungenes und Mitgeteiltes in sich selber hat. Dann aber gibt es zwischen Entspringen-Lassendem und Entsprungenem, zwischen Mitteilendem und Mitgeteiltem keine Verschiedenheit, sondern die volle und ganze Entsprechung, Gleichheit in allem. Es kann kein seinshaftes Früher und Später, Größer und Kleiner, so und anders geben. Doch diese Gleichheit ist Gleichheit im Ursprungsgeschehen, das als solches absolute Produktivität ist, somit die Unterscheidung zwischen dem zeugenden Vater, dem gezeugten Sohn und dem von beiden einander geschenkten einen Geist erschließt. Diese Hervorgänge aber sind nichts anderes als das Geschehen der Einheit und Gleichheit, so daß die Unterschiedenheit, die durch die Hervorgänge konstituiert ist, nicht im Gegensatz zur Einheit und Gleichheit steht, sondern diese vollbringt und trägt.

Was kann an diesen Verhältnissen die kirchliche communio ablesen? Inwiefern findet sie in der communio, die Gott selber ist, [363] ihr eigenes Bild? Was Kirche konstituiert, ist das Leben Gottes selbst, das sich offenbart und mitteilt, Wahrheit und Leben der Kirche wird. Gerade sofern dieses Leben als wahrhaft das eine göttliche Leben in allen, welche die Kirche bilden, sichtbar wird, kann die Kirche es beglaubigen und weitergeben. Nur an der gegenseitigen Liebe und der Einheit, wie Vater und Sohn eins sind im Geist, kann Kirche erkannt werden und kann die Welt zum Glauben gelangen (vgl. Joh 13,34f.; 17,20–23).

Der Anteil am einen göttlichen Leben, an der einen göttlichen Wahrheit und Gnade konstituiert in Analogie zum trinitarischen Leben die fundamentale Gleichheit derer, die ins Leben des Vaters und Sohnes und Geistes hineingetauft und so Glieder der Kirche geworden sind. Der Anteil aller am Priestertum der Kirche, die gleiche Würde und der gleiche Rang aller, unbeschadet ihrer Herkunft, ihres Standes, ihrer Funktion, gehört in den trinitarischen Grundbestand des pilgernden Gottesvolkes. Doch wie in der Dreifaltigkeit die Einheit der Liebe, die Einheit des Lebens nicht nur die Gleichheit, sondern die Unterschiedenheit konstituiert, so auch in der Kirche. Die unterschiedlichen Gaben und Dienste, die Vielfalt der Berufungen, die unterschiedlichen Weisen der Teilhabe an der Sendung der Kirche, das durch die Weihe vermittelte Amt schaffen nicht Rangunterschiede, stehen nicht in Opposition zur fundamentalen Gleichheit aller, sondern sind dazu da, das eine Leben Gottes, das er uns schenkt, zum Geschenk werden zu lassen, das wir einander und das wir den anderen vermitteln.

Wie aber im Wirken nach außen die drei Personen je gemeinsam wirken und in die unterschiedene Einheit des Werkes je sich selber in ihrer trinitarischen „Position“ einbringen, so steht es analog mit Auftrag und Wirken der Kirche als solcher: An ihnen [364] haben die vielen Glieder nach ihrer jeweiligen Gabe und Aufgabe ihren je eigenen Anteil. Sinn der legitimen, ja nötigen Vielfalt und Verschiedenheit in der Kirche ist nicht ein Gegeneinander von die Einheit mindernden Varianten, sondern die Fülle der einen Wahrheit und der einen Liebe im je eigenen Anteil am einen und gemeinsamen Zeugnis und Werk.

Wird hier eingewandt, daß dies eine idealtypische Sicht sei, so ist dem zuzustimmen: Es geht hier gerade um jene Ikone, die das dreifaltige Leben selbst für die Kirche bedeutet. Das dreifaltige Leben prägt die Kirche – und übertrifft sie, ist in ihr präsent – und bleibt darin ihre je größere Herkunft und Zukunft. Maßnehmen an diesem Wesensbild und Wesensmaß tut not und ist der einzige Weg, um Kirche wahrhaft immer wieder zu erneuern aus ihrem Ursprung her.