Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Diözesen

Ebenen des Gespräches

Das Statut des Zentralkomitees faßt dessen Aufgaben wie folgt zusammen: „Das Zentralkomitee hat die Aufgabe:

a) für das apostolische Wirken der in ihm zusammengefaßten Kräfte Anregungen zu geben und diese aufeinander abzustimmen,

b) die Bischöfe in Fragen des kirchlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Lebens zu beraten,

c) über Tatsachen zu unterrichten, die für die gemeinsame Arbeit wesentlich sind,

d) gemeinsame Tagungen und Unternehmungen der deutschen Katholiken, wie die Katholikentage, vorzubereiten und durchzuführen,

e) Anliegen der Katholiken in der deutschen Öffentlichkeit und im Ausland zu vertreten,

f) für die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben Sorge zu tragen.“

(§ 2 des Statuts). Damit sind in etwa die praktischen Folgerungen bezeichnet, deren Prämissen im Voraufgehenden dargelegt wurden. Die meisten der genannten Aufgaben weisen in dialogische Vorgänge. Sie spielen auf verschiedenen Ebenen; es sind jene, die den verschiedenen Weisen der Mitverantwortung aller in der Kirche entsprechen; es sind zugleich die, auf denen das Zusammenkommen und Sich-Entgegenkommen der Bistümer erforderlich ist, ihre Kooperation miteinander und mit den anderen, durch sie allein nicht erfaßbaren und repräsentierbaren Kräften kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens. Die „Ebene“, die zunächst zu nennen ist, läßt sich bezeichnen als die des „unmittelbaren“ Kontaktes und der „unmittelbaren“ Kooperation der kirchlichen und gesellschaftlichen Initiativen der deutschen Katholiken. Die Fragen und Antworten, die Erfahrungen, Forderungen und Anforderungen, in denen sich die gemeinsame Situation in Kirche und Gesellschaft artikuliert, sollen gemeinsam besprochen und geklärt werden; wo sinnvoll und erforderlich, soll es zur gemeinsamen Äußerung und Aktion kommen. Die „Adressen“ solcher Äußerung und Aktion sind unterschiedlich: z. B. die breite Öffentlichkeit, kirchliche, gesell-schaftliche, politische Instanzen und Gremien. Erklärungen und Stellungnahmen verschiedener Organe des Zentralkomitees (der Vollversammlung, des Geschäftsführenden Ausschusses, des Präsidiums, aber auch der Beiräte) galten in den letzten Jahren beinahe allen Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen der Kirche und der Gesellschaft. Gewiß kann und will das Zentralkomitee dabei weder „im Namen“ [116] der Kirche, in Beauftragung durch das kirchliche Leitungsamt, noch auch einfachhin „im Namen“ der deutschen Katholiken sprechen. Zwar ist seine „demokratische Legitimation“ breiter als weithin vermutet wird: jeder Diözesanrat der Katholiken wählt zwei Vertreter ins Zentralkomitee, die Diözesanräte ihrerseits stützen sich auf Wahlen „von unten“; doch hat das Zusammen-sehen und Zusammen-wirken der verschiedenen, in der Kirche sich engagierenden Kräfte und Gruppen, die das Zentralkomitee bilden, seine unmittelbare Bedeutung für die Übersetzung der einzelnen Impulse ins Ganze und umgekehrt. Es geht nicht nur um den Ausdruck dessen, was alle denken und wollen, sondern um ein dieses Denken und Wollen auf- und ernst nehmendes, es zugleich aber weiterführendes Gespräch.

Das Statut sagt: „Das Zentralkomitee ist tätig als Arbeitsgemeinschaft der Diözesanräte der Katholiken, der zentralen katholischen Organisationen, der im Laienapostolat tätigen Einrichtungen der Deutschen Bischofskonferenz und sonstiger dem Laienapostolat verbundener Personen, Gruppen und Einrichtungen, die von überdiözesaner Bedeutung sind.“ (§ 1). Das „Gespräch“, das solches Tätigsein, solche vollzogene Arbeitsgemeinschaft bedeutet, gilt zunächst einfachhin seinen Partnern. Diese Partner selbst aber reichen über sich hinaus ins Gesamt von Kirche und Gesellschaft hinein. So hat dieses Gespräch nicht nur von seinen Themen, sondern auch von der Dynamik seiner Kommunikation her eine Wirkung und Bedeutung fürs Ganze, die weder durch isolierte Aktivität des einzelnen Partners noch durch leitungsamtliche Initiativen ersetzt werden kann. Solche empfangen Anregung, kritisches Korrektiv, Vorbereitung, Übersetzung und Entlastung im Blick auf die für sie spezifischen Aufgaben durch die Arbeit des Zentralkomitees. Im Gesagten sind mittelbar zwei weitere Ebenen des Gesprächs berührt, die zur Wirksamkeit des Zentralkomitees gehören. Die eine ist die des direkten, beratenden Gespräches mit dem kirchlichen Amt. Die Beiräte des Zentralkomitees, deren Arbeit Fragen der Kultur, der Publizistik, des politischen und gesellschaftlichen Lebens und innerkirchlichen Aufgaben der Laien gilt, stehen auch „der Deutschen Bischofskonferenz, ihren Kommissionen und Einrichtungen beratend zur Verfügung“ (Statut, § 12). Darüber hinaus unterbreitet das Zentralkomitee der Bischofskonferenz Vorschläge für die Auswahl der Berater, die diese in ihre Kommissionen beruft. Gerade in den Kommissionen der Bischofskonferenz geschieht ein beständiger Austausch und eine beständige Zusammenarbeit mit dem Zentralkomitee. Der Bischöflichen Kommission für Laienfragen gehören z. B. Präsident, Generalsekretär [117] und Geistlicher Direktor des Zentralkomitees kraft Amtes als Berater an. Eine institutionelle Sicherung dieser Zusammenarbeit auch in anderen Kommunikationsbahnen kommt in verstärktem Maße in Gang; besonders wichtig sind die wenigstens einmal im Jahr vorgesehenen Planungsgespräche zwischen Bischofskonferenz und Zentralkomitee, bei denen die Mitglieder der Hauptkommission und die Vorsitzenden der anderen Kommissionen der Bischofskonferenz mit Präsidium und Vorsitzenden der Beiräte des Zentralkomitees die gemeinsamen Fragen beraten. Doch auch außerhalb der – hier nur im Ausschnitt referierten – institutionellen Kontakte zeigen die kirchlichen Planungen und Entwicklungen der letzten Jahre einen stets stärkeren und wirksameren Dialog zwischen Bischöfen und Zentralkomitee. Der – nochmalige – Hinweis auf die gemeinsame Synode und die Erarbeitung der Mustersatzungen für die nachkonziliaren Räte unseres Landes lassen die Be-deutung gerade dieser Tätigkeit des Zentralkomitees für die Bistümer und ihre Kooperation erkennen.

Die andere Ebene des Gesprächs, die bereits mit der Wirkung aufs Gesamt des kirchlichen Lebens angesprochen wurde, ist der Dienst des Zentralkomitees an der Bildung öffentlicher Meinung in der Kirche. Mitwirkung mit dem kirchlichen Leitungsamt, repräsentative Kundgabe eigener Meinung und eigenen Willens sind nicht die einzigen Weisen der Beteiligung des Wortes und Gedankens aller an Leben und Entwicklung der Kirche. Auch die spontane Selbstdarstellung und der spontane Austausch dessen, was in einer konkreten kirchlichen und gesellschaftlichen Situation die Glieder der Kirche denken, brauchen ihren Raum. Die gemeinsame Begegnung mit derselben Situation, mit den Gedanken, die in ihr leben, mit den Fragen, die sie aufwirft, tut not. In diesem Sinn sind – zumal heute – die Katholikentage zu verstehen. Auf sie beschränkt sich aber die Funktion des Zentralkomitees für die Bildung öffentlicher Meinung in der Kirche nicht. Es legt sich nahe, zu bestimmten Einzelfragen in Kirche und Gesellschaft Kongresse zu halten, die nicht bloß innerfachliche Förderung von Erkenntnissen, sondern eine dialogische Umsetzung neuer Erkenntnisse und Ergebnisse ins Bewußtsein vieler, zugleich aber die Beteiligung dieses Bewußtseins an der Findung neuer Linien der Sicht und der Planung zum Ziel haben. Der Kongreß des Zentralkomitees zu Fragen der Entwicklungshilfe am 27./28. Februar 1970 versuchte hier einen Anfang zu setzen.

Sowohl Katholikentage als auch derlei Kongresse haben eine starke Rückwirkung auf die Bistümer. Sie dienen der Bildung eines gemein- [118] samen Problembewußtseins, sie fügen, gerade auch durch ihre publizistische Ausstrahlung, alle ein in die „gemeinsame Situation“, in der es gewiß das Gefälle landschaftlicher und geschichtlicher Entwicklungen zu beachten gilt; doch die ungeheuere Expansionskraft dessen, was im einzelnen irgendwo aufbricht, hin zum Ganzen erfordert auch eine gemeinsame und überall gleichzeitige Konfrontation. Unter dem Stichwort der „Ebenen des Gespräches“, welche die Arbeit des Zentralkomitees umfaßt, darf der Hinweis auf das internationale und auf das ökumenische Gespräch nicht fehlen. Beide spielen gerade in der jüngsten Zeit eine besondere Rolle. Im Juni 1970 kam es in Innsbruck zu einer institutionell stärkeren Verankerung der schon länger gepflegten Kontakte der Nationalkomitees der Laienarbeit in Europa, die einen regelmäßigen Austausch miteinander pflegen wollen. Die ökumenische Dimension in der Arbeit des Zentralkomitees gewinnt im Blick auf das gemeinsam mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag geplante und getragene ökumenische Pfingsttreffen 1971 in Augsburg eine deutliche neue Betonung. Dieses Pfingsttreffen soll keine bloß punktuelle Veranstaltung sein, sondern mit langfristigen Gängen des Dialoges im vorhinein und nachhinein verknüpft werden, in denen Nähe und Unterschied, offene Fragen und gemeinsame Aufgaben gemeinsam angegangen werden. Auch hier ist nicht nur die Beteiligung der Diözesen von hohem Belang, sondern es steht auch zu erwarten, daß ihre gemeinsame ökumenische Bemühung dadurch Impuls und Kohärenz empfängt.