Nachtgebet
Ein NUNC DIMITTIS als Nachtgebet von und für klaus hemmerle
Ein NUNC DIMITTIS
als Nachtgebet
von und für
klaus hemmerle
ein wort von hölderlin
hat mich
zu klaus hemmerle
gebracht als noch
kein denken daran war
daß E R m e i n bischof
von aachen werden könnte
‚vieles hat erfahren der mensch
seit ein gespräch w i r s i n d‘
d a m a l s kam mir
wie per zufall
ein buch in die hand über
DAS HEILIGE von klaus hemmerle
und zwei seiner freunde
karl lehmann und peter hünermann
und in diesem kleinen
feinen buch
eine art frühling in der
jungen theologie dieser jahre
wurde mir nun
bei klaus hemmerle
klar
es ist s o
daß w i r ein gespräch s i n d
viel mehr also
als gespräche führen und wieder
aus dem gespräch heraus treten
und sich ins private
verkrümeln
seit d e m bin ich
diesem freiburger hemmerle
auf der spur geblieben
in großer verehrung
denn n u r so
anhänglich sein
läßt uns einem menschen
näher kommen und nahe s e i n
einfach s o sporadisch
mal zufällig dazu stoßen
bleibt ohne geist
leben
und s e i n
im sinne von
gespräch sein
es ging eine zeit vorbei
da las ich in der
herderkorrespondenz
einen artikel von klaus hemmerle
über den katholikentag
derer VON UNTEN
in mönchengladbach
und hemmerle
berichtete darüber
mehr oder weniger
ungenau
schlecht
und recht
da
wurde ich still
etwas traurig
und auch
zornig
war ich doch
einer von den frischlingen
als mittäter
VON UNTEN
und dann kam
auch noch
die komische tatsache
daß klaus hemmerle
mich ganz unbedacht
anschrieb und mich bat
i h m meine von mir
gefertigten texte und unterlagen
vom mönchengladbacher
katholikentag
zuzusenden
da
dacht ich
‚vieles hat erfahren der mensch
seit ein gespräch wir sind‘
lieber hemmerle
hölderlin zitieren
ist noch lange nicht
so ein großartig wahres wort
auch zu praktizieren
und ich schickte
i h m meine unterlagen
nicht
ich fragte mich
wozu
du weißt doch schon alles
ist denn so hochwertige literatur
wie ein hölderlinzitat
nur was
für schöngeistige bücher
also
ich ließ
hemmerle
unbeantwortet
und d a n n
kam kurz darauf
die b o m b e
klaus hemmerle
wurde zu
m e i n e m
aachener bischof
ernannt
nicht nur ernannt
er w u r d e es
trotz alledem
es war mehr als gut s o
erstens
hatte der gute klaus hemmerle
kein aufhebens von diesem
verwaltungsbürokram
gemacht
mit katholikentagsunterlagen
von ereignissen
die schon passé
waren
und dazu
hatte er gewiß
als der
der er nun einmal ist
und bleibt
besseres zu vollbringen
und s o
pirschten wir uns
gegenseitig
aneinander
heran
sein von mir sehr verehrter
lehrer und vorläufer
auf dem freiburger lehrstuhl
bernhard welte
hatte schon das seinige
an mir getan
seinem nachfolger hemmerle
nahe und
immer näher
zu kommen
und dies
durfte ich
im verlauf der zeit
wohltuend
erfahren
w i r
wußten voneinander
und dies
bedeutet
wir waren ein gespräch
auch da
wo wir
miteinander
schweigen konnten
und d i e s
ist auch
was mit seinem hinübergang
als heimgang
i s t
gespräch s e i n
da wir ja alle
die heimgehenden sind
ist sein gehen
ein vorausgehen
als hinübergang
von einem sogenannten
diesseits
in ein genauso sogenanntes
jenseits
wo da
die scheidelinie ist
ist kaum auszumachen
so ist er
längst noch nicht
weg
entschwunden
die tradition
läßt uns sechs wochen zeit
uns an das ewige leben
eines uns nahen menschen
zu gewöhnen
und was heißt da
sich gewöhnen
könnte es nicht sein
daß das
neue mit uns sein
unfaßlich inniger ist
wie weit weg
war er immer schon
weggenommen von seinem
entrückten palais
neuzeitlicher gepflogenheit
einer architektur
die sich so rasch überholt
noch ehe sie dem zu bauenden
oder gebauten haus
das dach gedeckt hat
er
klaus hemmerle
in einem palais
in dem er
verloren
fremd
herumspazierte
s o
verloren
ihm hätte ein reihenhaus
ein haus in der reihe
in der nähe des domes
besser getan
da hätte er zufuß
zum dom und seinen
dortigen diensten gehen können
denn
der dom in sich
der war ihm
wie auf den leib
gepaßt
so vieldimensional
und s o
mystisch dunkel
mit allem auch
geheimnisvollen gewinkele
aus grauer vorzeit
aus der jetztzeit
und dem bild
gegenwärtigen
zukünftigen
des himmlischen
jerusalems
auch im sinne
des von ihm geliebten
bonaventura
‚der pilgerweg der seele zu gott‘
wobei seele
nie ohne leib
im geiste
franziskanischer
dynamischer
theologie
wo immer
wir uns denkend
hin bewegen
ihm ist diese heilige stadt
entgegengeschwebt
und überall dort
unterwegs
treffen wir
auch auf
klaus hemmerle
wenn ich nun von w i r
gesprochen
so ist dieses w i r
nicht uneingeschränkt wir
es gibt aber
ein w i r
da denken
w i r
an d u und i c h
an unseresgleichen
solche aber
lassen sich ungemein
schwer definieren
denn finis heißt e n d e
aber wo
ein mensch anfängt
und wo
er aufhört
ist kaum zu sagen
wenn wir sagen
‚die liebe hört nie auf‘
im sinne von paulus
eins korinther dreizehn
so ist dies e i n e
möglichkeit zu sprechen
sich a u s zudrücken
aber sagen
sich a u s drücken
läßt schon ahnen
wie sehr solches sagen
mit druck
zu tun hat
und mit drücken
dieses unsagbare drückt
und beflügelt zugleich
wir bewegen uns zwischen
heimweh und fernweh
immer in der schwebe sein
ist lebendiges leben
und so fällt das plötzliche
heimwärts geholtwerden
und heimgehen
eines uns nahen
menschen
n i c h t leicht
schwer ist es
darüber leichtfertig
wichtigtuerisch
reden zu hören
da verdrückt man sich am liebsten
vor s o v i e l
unlauterem wettbewerb
oh klaus hemmerle
nun wirst du
in der himmlischen akademie
als peripathetiker wandelnd
reden und im gespräch sein
a k a d e m o s heißt g a r t e n
mit himmlischer
reiner klarer luft
mit offenem klima
wobei uns schönstes
reinstes einfällt
zufällt
wie spielbälle
die uns zugespielt werden
und die wir einander zuspielen
als k i n d e r des lichtes
und des ewigen friedens
wettkampf und kampfspiel
ohne jeden krampf
sieger sein zu müssen
und zu wollen
h o m o l u d e n s
der spielende mensch
noch ehe w i r voneinander
hörten und sahen
tauschten w i r
gedanken
ehe wir worte tauschten
waren
s i n d wir
ein gespräch
klaus hemmerle
so wird der immerwährende
weltweite areopag
diese weltarena der geister
die so künstlich eine handbreit
höher liegt als
die scheinbaren niederungen
des gemeinen
allgemeinen
volkes
dein raum
genialer träumer und denker
mystiker als idealist und realist
mensch und bischof
du
klaus hemmerle
verstandest es immer schon
auf diesem areopag dieser welt
auch im römisch katholischen sinne
deinen mann
zu stehen
und jedes mögliche
und scheinbar unmögliche gespräch
auf d e n punkt
zu bringen
der
der springende punkt
ist
so wie paulus
den hochtrabenden geistigen
seiner tage
in parlament und synagoge tempel
du nimmst das denkmal
des unbekannten gottes
beim wort
und forderst die denker auf
NA JUNGS
DENKT MAL
IHR behauptet
‚der unbekannte gott‘
ICH sage e u c h
wer
ER i s t
er ist der menschgewordene
heruntergekommene
vom hohen olymp
er ist unter die menschen gegangen
nicht bloß
wie so viele herrgötter
in der sonder C E L L A des tempels
an einer thron S E D I L E
hängengeblieben
nein
d e r gott
den i c h euch künde
als das neueste vom neuen
und das ursprünglichste alte vom alten
er ist selbst mensch
ja
geworden wir wir
zu einfach
meint ihr
davon wollt ihr ein andermal hören
ja
dann kann es zu spät sein
das allereinfachste
ist das genialste
und das
und den
verehren wir
aber
unter uns gesagt
dir mensch
hier heute und jetzt
zugesprochen
du bist das denkwürdigste
leibhaftig herumwandelnde
denkmal
in dir ist der
e i n e wahre wirkliche
lebendige gott
in dir wie in keinem sonst
du bist
als ganzer mensch
das selbstbildnis
g o t t e s
JA griechisch sage ich
griechisch
DU bist e i k o n gottes
verdeutscht i k o n e
aus fleisch und blut
leib und seele
irdisch wie himmlisch
göttlich wie menschlich
was wollen
wir mehr
aber
ihr schlauberger
von s o unkompliziertem
wollt ihr uns ein andermal hören
wahrscheinlich
überhaupt nie
ihr braucht mysteriöses
fürs einfache volk
auf daß es nichts verstehe
so schauen sie hörig zu euch auf
zu euch geistvollen
machtvollen
ihr irreführer
nein
so nicht
verrennt euch
verkleidet euch
vermummt euch
in dolce vita
wie fellini
als genialer
kunstbegabter mensch
als kind und clown und prophet
euch entlarvt hat
indem er die vermummungen
als maskerade bis zum exzess
zum einleuchtendwerden gebracht
s o werdet ihr
du als ehemaliger episkopos
und er als regieanweisender regisseur
spazierengehen miteinander
in himmlischen akademien
als HAINEN DES GEISTES
euch amüsierend
lachend und weinend
über das
was hier noch
komisch zwiespältig gespielt wird
das s p i e l e n ist das
was uns leben läßt
nur ist die frage
w i e
so
lieber klaus hemmerle
wir waren uns hier u n t e n
um es mal so kurz zu fassen
auch nicht so rein leiblich nahe
aber stets nahe genug
zu wissen
wie und daß wir
zueinander gehörten
auf gedeih und verderb
aber nun
bei diesem neuen zustand
d u drüben
und ich hüben
ist es für dich nun
noch wunderbarer
weil unkomplizierter
du kannst dich nun äußern
ohne ein blatt vor den mund zu nehmen
frei und frank
das ist auf jeden fall
für einen deutschen
römisch katholischen bischof
ein riesengroßer
himmlischer fortschritt
darum wird dich dein freund
karl lehmann
schmunzelnd beneiden
aber d e m
werden wir weiterhin
netzwerkartig
den rücken stärken
es ist klar
daß ihr an episkopaler stelle
nicht so sofort und direkt
alles ausplaudern könnt
im sinne von deutlich werden
aber z u v i e l nach innen verstauen
führt zu verdauungsstörungen
im kirchlichen binnenhaushalt
und schlimmer noch
im höchst eigenen klaustrum
wo wir doch
so mutterseelen allein sind
denn
mutter kirche
ist nur schön gesagt
das wort wurde nicht in allem leib
unser tägliches brot h e u t e
für heute
ist eine hoch geistleibliche
errungenschaft
von einsamer größe
lieber bruder klaus hemmerle
wir haben stets füreinander gebetet
auch weiter noch
nun erst recht
BLEIB beim beten
e p i s k o p o s
aufseher im besten sinne
du weißt ja
was ich meine
im sinne von
m i n n e n
spitzel brauchen wir keine
wer sollte da wen bespitzeln
haben doch die aufsichtsräte
wie oft
ihre pflicht nicht wahr genommen
im gegenteil
was haben sie sich
alles genommen
grüß gott
aber wahrscheinlich
gibt es drüben einen
liebenswürdigeren namen
einen heiteren
für s o e i n e n
den wir als zu preisenden
nicht fassen können
das meint
bruder wilhelm
oder besser
bloß
kaspar
wir sprechen dich heilig
bruder klaus
der du dich stets
allezeit
als brückenbauer
am werk gezeigt
wortweise brücken
als überbrückung
von gräben als gräber
scheinbar
unüberwindlich
du findest ein wort
du bist dort vor ort
ganz d a
wo menschen
hilflos
sprachlos
trostlos
allein gelassen
du kamst
sahst
siegtest
aber n i e
für dich
dies war
und ist
und wird so bleiben
und noch mehr
nun
frei aller hürden und bürden
diesseitiger art
eckig und hart
nun
mit uns
weise spielend
als kind unter kindern
auf dem erdenrund
ohne störenfriede
in seligem bund
einer ewigen liebe
die sich n i c h t aufspielen
als herren
hier gibt es
n u r den e i n e n
herrn
dem ist herrsein und herrschen
s o fern
bei i h m
herrscht
lautere liebe
so
als lied
zu summen
zu singen
nach eigener
melodie