Zwischen Bistum und Gesamtkirche

Engführungen

Nehmen wir uns noch etwas genauer die eben angedeuteten „Engführungen“ ekklesiologischer Argumentation vor. Sie reichen, genauer besehen, sogar über das Ekklesiologische hinaus. Man könnte scherzhaft von einer Cur-non-Theologie1 und einer Sicut-erat-Theologie2 sprechen. Beide haben mehr miteinander zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Die erste versucht, sich vom Ballast einer nicht nur gottmenschlichen, sondern oft auch allzu mensch- [23] lichen Geschichte dadurch zu befreien, daß sie die Kirche auf einigen unerläßlichen Grunddaten fundiert und von ihnen aus konkrete Lösungen unter Zurhilfenahme logischer und pragmatisch-funktionaler Gesichtspunkte konstruiert; der vielberufene „Mensch von heute“ oder die genauso oft bemühte „Welt von morgen“ geben dafür gewöhnlich das Richtmaß her. Die zweite, die Sicut-erat-Theologie, kennt mehrere Spielarten, je nach dem, wo das goldene Zeitalter der Kirche angesiedelt wird, ob in einer (in welcher?) unverbrauchten Frühe des Ursprungs, ob in einem (welchem?) ausgereiften Stadium ekklesiologischer Entwicklung oder ob schließlich in einer imaginären „All-Zeit“ von Kirche, die durch die Summe aller bisherigen Fixierungen bestimmt ist, so daß im Grunde nichts mehr passieren kann als das, was scharfes Nachdenken aus schon getroffenen Regelungen herauszupressen vermag.

Das, was die gezeichneten Ansätze verbindet, ist eine eigentümliche Ungeschichtlichkeit. Denn geschichtliche Möglichkeit ist immer mehr und immer weniger zugleich als eine abstrakte Möglichkeit plus unabdingbare Wesensnotwendigkeit, geschichtliche Möglichkeit ist aber auch mehr und weniger zugleich als die geradlinige Übertragung vorformulierter Lösungen auf einen anderen geschichtlichen Kontext. Knapp gesagt: Die Frage, was unbedingt bleiben muß, und die Frage, was sich ändern kann, greifen für sich allein zu kurz für eine wirklich theologische Argumentation.


  1. (Anm. d. Bearb.) d. h. „Warum-nicht-Theologie“. ↩︎

  2. (Anm. d. Bearb.) d. h. „Wie-es-immer-war-Theologie“. ↩︎