Botschaft: Kirchenbau

Entsakralisierung der Welt*

Es scheint uns gängig, daß es außer der profanen, der weltlichen, eine sakrale Kunst gibt. Aber ist das vom Ansatz des Christlichen her legitim? Ist nicht schon die Schöpfungsgeschichte, so wie wir ihr im 1. Kapitel der Genesis begegnen, ein Angriff auf herkömmliche Sakralität, und ist der zweite, viel größere Angriff nicht das Neue Testament? Während früher die Schöpfung als sakralisiert, als Zeichen des Geheimnisses erschien, formuliert die Priesterschrift im 1. Kapitel der Genesis ganz bewußt so, daß darin Schöpfung und Dinge entzaubert werden. Nicht mehr vom Sonnengott ist die Rede, sondern von der Gottmacht. Licht und Sonne und Mond sind nicht mehr jenes Faszinosum, das die Menschen erschüttert, sondern sie werden als zwei Lichter bezeichnet, die Gott einfach so hinstellt, damit es hell ist (vgl. Gen 1,16). Was geschieht hier? Gott tritt in eine unmittelbare Beziehung zum Menschen. Schöpfung ist zugleich Raum des Menschen. Schöpfung ist nicht das Objekt unserer Ängste und eines sie bannenden Kultes, sondern sie gehört in unsere personale Beziehung zu Gott, der über der Schöpfung steht und mit dem wir in die freie Kommunikation des Bundes treten, so daß in dieser freien Kommunikation die Dinge in aller Nüchternheit wahrzunehmen sind. Das ist zumindest die Theologie des Schöpfungsberichtes aus der Priesterschrift. Also Entzauberung, in gewisser Weise Entsakralisierung steht im Vordergrund.

Dies radikalisiert sich im Neuen Testament. Heilige Zeichen und Zeiten und Gebräuche werden dadurch überholt, daß das Profanste – der Mensch in seinem Schweiß und Speichel, in seiner Leibhaftigkeit – nicht nur Zeichen, sondern Gegenwart Gottes wird. Gott ist da in der Menschlichkeit eines Menschen. Er selber gibt sein Innerstes und Äußerstes in dieser Menschwerdung; deshalb wird um diesen Bezirk des Menschlichen, in dem Gott anwesend ist, kein neuer Zaun gezogen. Die Frau, die in sakraler Ehrfurcht die Quaste seines Gewandes berühren und sich dann zurückziehen will, sie wird von Jesus gestellt, damit sie Auge in Auge ihm begegnet (vgl. Mt 9,20–22). Und so ist es ganz offensichtlich, daß Jesus schockiert, indem er, vom Tempel seines Leibes sprechend, behauptet: Ich reiße diesen Tempel nieder, in drei Tagen baue ich ihn wieder auf (vgl. Mt 26,61). Daß er die Schaubrote entnehmen läßt (vgl. Mt 12,4), daß er am Sabbat Wunder vollbringt (vgl. Mt 12,10ff.), schiebt nicht nur einfach die Tradition auf die Seite, sondern will offenbarmachen: die Unmittelbarkeit Gottes zum Menschen in seinem Leben hat Vorrang vor aller „Sakralität“.

So haben wir denn auch zwei Merkzeichen, die im Neuen Testament bezüglich des Kirchenbaus zu denken geben. Als ihn im Johannesevangelium im 4. Kapitel die Samariterin fragt, ob denn auf dem Berg angebetet werden soll, den die Samariter als Kultstätte haben, oder in Jerusalem, da sagt Jesus ganz einfach: Die Stunde wird kommen, und sie ist schon da, in der nicht mehr der heilige Berg oder die heilige Stätte gilt, sondern in der die Anbeter Gottes im Geist und in der Wahrheit ihn überall finden und anbeten (vgl. Joh 4,21–23). Und in der großen Rede des Paulus im 17. Kapitel der Apostelgeschichte begegnen wir eindeutig der Aussage, daß Gott sich nicht in den von Händen gemachten Tempeln einsperren läßt, sondern daß wir überall in ihm uns bewegen, leben und sind. Gott also ist jener, der die Bannungen und Festlegungen auf das Sakrale da oder dort bricht (vgl. Apg 17,24).