Aufgabe der Universalität – Aufgabe der Identität

Erfahrung der einen Menschheit*

Das erste ist vielleicht am leichtesten einzulösen. Wir haben endgültig in diesen 25 Jahren entdeckt, daß wir nicht allein sind auf der Welt mit unserer abendländischen Kultur. Wir haben entdeckt, daß wir nicht der einzige Maßstab sind für das, was sein kann und was sein wird. Wir haben entdeckt, daß wir nicht nur sozusagen in einer zentrifugalen Bewegung von uns als dem Nabel der Welt aus die Welt entwickeln können und dabei natürlich die Menschenrechte der andern irgendwie zu achten haben; sondern wir haben entdeckt, daß es eine Herausforderung und Anfrage an uns und unsere Weise zu denken von andersartigen Kulturen her gibt. Ich glaube, diese Herausforderung ist vielleicht das Kühnste, was seit dem Heraufkommen des Mittelalters aus der Antike geschehen ist, diese Herausforderung, daß wir unsere eigene Identität nur noch in der Universalität, in der weltweit gemeinsamen Verantwortung füreinander und miteinander wahrnehmen können, in welcher – ich greife das Wort nochmals auf – der Europäer vor allen andern den Jakobusbrief leben muß: nicht schnell sein zum Sprechen, sondern schnell sein zum Hören. Nur indem wir schnell sind [101] zum Hören, werden wir uns selber neu lernen und entdecken. Wir sind uns selber sozusagen davongelaufen. Wir entraten uns selber, wenn wir uns nicht aus dem Angefragtsein und Angerufensein von den anderen Kulturen und Menschentümern dieser Welt neu geschenkt werden. Diese Situation ist eine Chance und eine Gabe, die wir nicht hoch genug einschätzen, die wir nicht ernst genug nehmen können. Sie ist auch eine Anforderung und Chance für katholische Akademiearbeit, die nie mehr nur eine binnendeutsche und binnenabendländische zu sein vermag.