Aufgabe der Universalität – Aufgabe der Identität

Erfahrung des Geistes*

Und dann: Leise und verdächtig und oftmals noch nicht so recht klar und mitunter mit gefährlichen Wolken versehen und mit Eruptionen, die nicht ganz richtig und ganz gut sind, und mit Irrwegen und mit Irrlichtern und dann wieder mit wunderbaren Blüten und Ansätzen: der Geist, das Pneuma, ist aufgebrochen. Und zwar vielfältig, in mancherlei Gestalten: natural und im Glauben. Natural: Es gibt einfach wiederum Freude an Ursprünglichkeit. Es gibt ein nicht nur romantisch zurückgewandtes, sondern unbefangen offenes Spielen und Aufeinanderzugehen. Es gibt das wiederum. Es gibt diese Ursprünglichkeit, in der ich nicht nur aus dem, was ich habe und bin und kenne, herausrechne, was ich einmal sein und tun werde, sondern in der ich mich beschenken lasse. Es gibt das Spielen, das Schenken und das Beschenkt-Werden, dieses Entdecken, daß der Geist mehr ist als seine Berechenbarkeit durch sich und seine Selbstvermittlung. Ja, Geist ist vielleicht überhaupt nicht mehr nur vom Ego, das sich selber entläßt und zu sich zurückkehrt, zu verstehen, sondern er ist der Odem, der mir in die Nase geblasen ist, Witterung der Zukunft, dieses Prophetische, das, was ich nicht einfachhin habe, von dem ich aber ahne, daß es auf mich zukommt, und das, indem ich es ahne, empfange und fange, dann in mir Leben wird und in mir selber Möglichkeit der Gestaltung von Zukunft. Dieses ist eine neue Potenz, die in der jungen Generation, und nicht nur in ihr, aufbricht. Wir müssen auf diese Zeichen der neuen Möglichkeit des Menschlichen achten. Sie sind Vorboten vielleicht dessen, daß wir am Ende der Neuzeit in ein anderes Grundverständnis von Geist vorstoßen.

Und solches tut sich auch und gerade im Bereich des Religiösen und des Christentums. Solches tut sich in den Kirchen und manchmal an deren Rändern und manchmal jenseits von deren Rändern, aber es tut sich, und es ist eine Herausforderung, die wir nicht einfach fallenlassen und liegenlassen dürfen. Es ist etwas, mit dem wir uns konfrontieren müssen. Es ist etwas, was wir ernst zu nehmen haben. Es ist etwas, für das wir nicht einfach schwärmen dürfen, das wir nicht unbefragt hinnehmen sol- [103] len; aber es ist etwas, das uns provoziert, damit wir dem Geist mehr vermachen, der von sich her auszugehen und zu wehen vermag, als dem Geist, dem bißchen Wind, den je ich mit meinen eigenen Gedanken aus mir selber zu machen vermag.