Sprechen von Gott

Erste These:

Von Gott wird zuviel und von Gott wird zuwenig gesprochen.

Jeder, der von Gott im Ernst reden muß, ohne sich darin gefallen oder dabei stehenbleiben zu dürfen, daß er die Problematik dieses Redens aufzeigt, jeder, von dem das Zeugnis von Gott gefordert ist, wird der Rückfrage begegnen: Kann man überhaupt so reden? Verstehen das andere? Wodurch ist das, was du sagst, gedeckt? Und wenn wir selbst in die Situation des Hörens geraten, wenn andere uns von Gott reden, so bringen wir denselben kritischen Maßstab mit: Wird da nicht nur einhergewußt, einherdoziert über etwas, das man nicht so auf den Tisch legen kann wie den Lohn der vergangenen Woche oder die Zeitung, die uns die Neuigkeiten vom gestrigen Tag erzählt?

Der Verdacht, daß von Gott zuviel geredet wird, ist der Grund- [49] verdacht, der sich gegen jedes Reden von Gott heute richtet, und das nicht ohne Grund. Wo Sprechen von Gott nicht aus einer Begegnung mit ihm rührt, wo diese Begegnung nicht als der es tragende Ausweis ihm noch anzumerken ist, da spricht dieses Reden von etwas, das, der allgemeinen Erfahrung unzugänglich und dem allgemeinen Bewußtsein unselbstverständlich, als ferne Hypothese erscheint, die sich um so sonderbarer ausnimmt, als sie eben einen so ungeheuerlichen, totalen Anspruch in sich trägt. Dieses Mißtrauen, daß „zuviel“ von Gott gesprochen wird, hält sich aber auch innerhalb des Glaubens, also auch dort, wo Gott nicht als „unausgewiesen“ gilt. Wenn Gott Gott ist, dann ist er eben nicht nur eine Prämisse für Konsequenzen, die sich durch Denkoperationen aus ihm ziehen lassen; genau genommen, müßte jeder Prediger z. B. damit rechnen, daß Gott zu den Zuhörern seiner Predigt zählt – eine Situation, die von allein erhellt, wie viele unserer Worte über ihn „zuviel Worte“ sind.

Wenn aus diesem Mißtrauen, wenn aus dieser Scheu heraus dann aber von Gott nicht mehr die Rede ist, wenn Priester und Theologen nur von der Dunkelheit Gottes und nicht mehr von ihm selber sprechen, wenn dann nur anthropologische Ansätze verlängert, existentielle Situationen interpretiert werden und dabei der Name Gottes nicht mehr fallen darf, wenn man allein von Gott so spricht, daß man nicht mehr von ihm spricht, sondern allenfalls davon, daß man früher einmal aus diesem Anlaß über Gott gesprochen habe oder daß man, zumal für die Schlichteren, hier auf den Namen Gottes zurückgreifen könne, dann werden wir nicht minder zur Kasse gebeten: Warum redest du nicht von ihm, wenn du ihn meinst, und warum tust du so, als ob du ihn meintest, wenn du im Grunde nichts von ihm hältst? Wenn Gott so schwer zugänglich ist, dann bedarf es um so mehr des Wortes, das auf ihn hinweist, und wenn Gott Gott ist, dann bedarf es des Mutes, ihn zur Sprache zu bringen, sich ihm zu stellen und von der Begegnung mit ihm zu zeugen.