Person und Gemeinschaft – eine philosophische und theologische Erwägung

Erster Schritt: Die Frage nach Person und Gemeinschaft

Wer Gemeinschaft sagt, sagt Person. Wie steht es mit dem Umgekehrten: Sagt, wer Person sagt, auch Gemeinschaft?

So vielfältig der Gebrauch des Wortes Gemeinschaft ist, so deutlich eignen ihm doch einige konstitutive Momente, ohne die das Sprechen von Gemeinschaft seine Kontur verlöre.

Gemeinschaft ist nicht bloße Vielheit von Individuen, die durch dieselbe Gattung oder Art zusammengehalten werden. Gemeinschaft hat zwar Voraussetzungen im Wesen derer, die sie bilden, das aber, was sie bildet, erschöpft sich nicht im Wesen oder in der Natur.

Gemeinschaft ist ebenfalls nicht die Konstitution eines einzigen Subjektes, in dem das Subjektsein jener, die sie bilden, verschwände. Die Einheit, die in Gemeinschaft geschieht, ist eine Einheit in Unterschiedenheit; die Worte Gemeinschaft [32] und Kollektiv lassen sich in achtsamem Sprechen nicht miteinander vertauschen.

Worin besteht dann aber das Einende von Gemeinschaft? Eine große Bandbreite von Möglichkeiten tut sich hier auf; das Wort Gemeinschaft läßt sich mit schier beliebig vielen spezifizierenden Worten zusammensetzen. Es muß zunächst fragwürdig erscheinen, wenn gesagt wird: Die Gemeinschaft gründenden und bestimmenden Momente haben es allesamt mit der Freiheit der Partner zu tun. Gibt es nicht Schicksalsgemeinschaft, Blutsgemeinschaft, Notgemeinschaft? Doch auch und gerade dort, wo keineswegs durch Wahl entsprungene Gemeinsamkeiten den Hintergrund für Gemeinschaft bilden, sagt das Wort Gemeinschaft als solches aus, daß durch dieselbe Vorgabe eine Herausforderung an die Freiheit der Partner erfolgt, sich in das Verhältnis zur objektiven Gemeinsamkeit zu begeben, sie als Verbindendes wahrzunehmen und ernstzunehmen.

Tragen wir die beobachteten – für eine Wesensbestimmung von Gemeinschaft noch keineswegs genügenden – phänomenalen Momente zusammen, die zumindest im Begriff von Gemeinschaft enthalten sind und sie mitkonstituieren, so bemerken wir: Gemeinschaft hat keinen bloß wesensmäßigen, sondern einen existentiellen, geschichtlichen Charakter. Sie ist Einheit zwischen vielen Subjekten, die in ihrem Subjektsein nicht in die Gemeinschaft hinein nivelliert werden; sich zum Selben verhaltend, verhalten sie sich vielmehr zueinander, bleiben somit unterschieden. Sich verhalten aber ist Sache der Freiheit. Gemeinschaft ist als solche Gemeinschaft von freien Partnern, die, sich zu einem Gemeinsamen verhaltend, sich zu sich selbst und zueinander verhalten. Wir fragten bislang noch nicht danach, wie denn Person zu verstehen sei; dennoch ist unschwer auszumachen, daß die Kennzeichen der Partner von Gemeinschaft dem Vorverständnis von Person entsprechen. Wer Gemeinschaft sagt, der sagt in der Tat auch Person.

Die schon eingangs erwähnte Gegenfrage bleibt so aufgegeben: Sagen wir, Person sagend, auch Gemeinschaft? In diese Frage wollen uns die nächsten Schritte unseres Nachdenkens hineingeleiten.