Theologie als Nachfolge

Erweitertes Modell von Nachfolge

Ist solche Dynamik aber Dynamik der Schöpfung oder nur des Gedankens über die Schöpfung? Von Bonaventura her müßte diese Frage als falsch gestellt gelten. Die Dynamik ist Dynamik des Weges, der im Aufstieg des Menschen die Schöpfung in ihr Eigenes hinein allererst vollbringt, dabei freilich ihre Stationen wahrend, sie so nehmend und stehenlassend, wie sie von sich her sind. Derselbe Weg, der die Schöpfung vom Menschen her im Hingang auf Gott integriert, ist aber auch, ja zuerst, Weg von Gott her, der den Menschen auf diesen Weg zieht, der ihm die Stufen gebaut und das Licht geschenkt hat, die diesen Weg und diesen Gang zugleich gewähren. Der Prolog des Itinerarium, an dem wir die Gleichzeitigkeit und Bezogenheit des Ansatzes von oben und von unten ermittelt haben, löst sich so ein: der Weg ist Vollzug des Ansatzes, er erwächst aus der Situation, die den Menschen auf den Weg schickt. Vom Ende schließlich, zu dem solcher Anfang führt, in der Konsequenz einer jeden Stufe und in der springenden Konsequenz des Ganzen, enthüllt sich der Weg als Weg der Nachfolge, Weg, der vom factum est, vom Geschaffenen, über das fecit, über die menschliche Teilhabe am Schöpferwort, hingelangt zum fiat, zum alles ins Dasein rufenden Schöpferwort selbst, das so als Wort Gottes an uns ergeht. Das Wort, das uns in die Nachfolge ruft, ist das Wort, das die ganze Welt ins Sein ruft, und darum ist Nachfolge auch Gehen des Weges der Welt, ihre Integration. [107] Solcher Begriff von Nachfolge ist eine Erweiterung des ursprünglichen Sinnes; doch dies rechtfertigt sich, einmal da gerade der Rahmen des Itinerarium so deutlich auf Nachfolge, auf Botschaft, aufs Kreuz, auf die Repräsentanz des Evangeliums durch den Ruf des Franziskus verweist und in diesen Rahmen Bonaventura das scheinbar so Andere des Weges durch die Welt hineinspannt. Zum anderen ist es sinnvoll, Nachfolge so umfassend zu verstehen, da für Bonaventura eine strenge Gleichung nicht nur zwischen Jesus und dem Christus, sondern auch zwischen Christus und dem Logos, dem Urbild der Welt gilt; dieser Charakter des Sohnes geht in seine heilsgeschichtliche Position mit ein, durchdringt und erklärt sie, und so ist es nur konsequent, wenn die Nachfolge als ganze Nachfolge das ganze Christusgeschehen, auch seine theologische und kosmologische Dimension mit einbezieht. Das so erweiterte Nachfolge-Modell umfaßt drei Pole, von denen jeder in wechselseitiger Beziehung zu jedem anderen steht: Gott, Welt, Mensch. Das Neue und Interessante hierbei ist gerade die Beziehung Welt – Mensch als relevant nicht nur für die Beziehung Welt – Gott, sondern auch für die Beziehung Mensch – Gott. Die Welt ist sie selbst in ihrem Eingang in den Menschen, der Mensch ist er selbst in seinem Ausgang in die Welt. So reicht Bonaventuras Modell einer Theologie der Welt über eine bloße Ordnungs- und Stufentheologie hinaus, greift seiner Epoche, dem jedenfalls, was als der klassische Inhalt seiner Epoche gilt, in Neuzeitliches, ja Heutiges voraus.