Der Begriff des Heils

Falsche Korrekturen

Der gezeichnete Gang der Korrektur ist nicht der gewohnte, sondern eine Einrede gegen ihn. Wie sieht der gewohnte Gang der Korrektur indessen aus?

[222] Die Unvollendbarkeit der Geschichte durch Evolution und Anstrengung wird heute weithin umgedeutet in die bloß formale Kategorie des „je weiter“ immanenter Bewegung der Geschichte. Die Gnadenhaftigkeit des Heiles wird auf die Unverfügbarkeit einer Teleologie des Evolutiven reduziert. Die Dialektik der Ordnungen, die einander in ihrer Totalität und Einzigkeit gerade gewähren und nicht ausschließen, wird weithin nicht verkraftet.

Die Personalität des Heils taucht weithin unter in seinem menschheitlichen Charakter oder in der Jeweiligkeit punktuell verstandenen Existierens. Die beides einende und gewährende Spannung wird mehr oder weniger auf je einen der beiden Pole verkürzt: Heil wird entweder als bloßes Heil der Menschheit bzw. in der Menschheit interpretiert oder aber exklusiv im einzelnen Akt, in der einzelnen Erfahrung des einzelnen Menschen angesiedelt.

Für viele „Übersetzungsversuche“ der christlichen Botschaft geht in solcher bloßen Akthaftigkeit oder solcher Projektion auf die Geschichte der Menschheit auch der beides gewährende, so aber radikal übersteigende Charakter der Ewigkeit von Heil unter.

Heil wird als transzendentales Heil, als Heil der Welt vielfach „gerettet“, indem man die evangelische Unheilsdrohung in ein paränetisches Mittel, die Möglichkeit von Unheil in die bloße Warnung davor umdeutet, daß der Mensch sein Selbst verfehlt. Der transzendentale Anspruch Jesu, das Heil für alle, für die Welt zu sein, erscheint weithin nur mehr als der Anspruch an die Christen, universale Toleranz zu üben.

In der Alternative Heil oder Herrlichkeit erscheint weithin Heil als das primäre Postulat, dessen Konsequenz dann auch die Verherrlichung Gottes ist. Daß Heil nur erwachsen kann, indem man es Gott zutraut, Heil zu wirken, daß Heil Gabe Gottes und nicht Postulat ihm gegenüber ist, droht dabei unterzugehen. Postuliertes Heil ist aber kein ganzes Heil mehr.

Wo die Aporien des Heilsverständnisses heute im Sinn der unmittelbaren Anpassung an die gewandelte Richtung menschlichen Erwartens und Denkens aufgelöst werden, da werden diese Aporien – und mit ihnen gerade das heutige Erwarten und Denken – nicht ernst genug genommen. Wenn die Krisis des Heilsverständnisses durchgestanden wird, so führt sie zu einer Restitution, die sich freilich nicht in der Wiederholung alter Formeln erschöpft, wohl aber sie einholt in den Dialog unserer Geschichte.