Merkmale der Kirche – Kennmale des Geistes

Fazit

[41] Unser Weg entlang den vier Kennmalen der Kirche hat uns dreierlei erbracht. Das erste: Er zeigt uns die geistlichen Haltungen, die pastoraler Dienst erfordert. Wem die Kirche zum Beruf wird, der kann dies nur bestehen und kann dies wirksam und glaubwürdig nur vollziehen, wenn er ein Mensch der Einheit ist, einer, der aus der Einheit der Kirche lebt und sie nicht nur im Großen bejaht, sondern auch im Kleinen immer neu um sich herum wachsen läßt. Er kann nicht nur Standpunkte vertreten, in Sektoren und Kompetenzen denken, Funktionen erfüllen und eine Organisation am Laufen halten. Er ist gedrängt, mit Jesus in dem zu sein, was des Vaters ist (vgl. Lk 2,49). Geistliches Leben wird ihm nicht Fluchtburg sein, in die er sich immer wieder aus der schlimmen Welt zurückzieht, sondern er wird sein Leben und das Leben derer, für die und mit denen er da ist, mitbringen in seine Beziehung zu Gott und Weggenosse der andern sein auf dem Weg der Heiligung. Er wird den offenen Horizont des Ganzen haben, die Menschheit, die Welt, die Weltkirche in seinem Herzen tragen bei dem, was er tut, er wird aber auch jene innere Katholizität leben und fördern, in der Ehe und pastoraler Dienst, privater Lebensstil und Gebet, gesellschaftliches Interesse und geistliche Orientierung ungetrennt und unvermischt doch auf die eine Mitte hin tendieren: Jesus Christus. Er wird schließlich von der Leidenschaft Jesu getragen sein, der sich senden läßt vom Vater, um seine Liebe mit dem eigenen Sprechen und Handeln, aber noch mehr mit dem eigenen Sein, mit dem eigenen Leben und Sterben zu den anderen hinzutragen. Die Handbewegungen des vom Geiste erfüllten Jesus werden jene [42] seines eigenen Lebens sein: die des einenden Sammelns und Zusammenführens, die der Erhebung hin zum Vater, die der grenzenlos einladenden Offenheit, die der Hingabe und Weggabe nach unten und außen. Es sind die Grundrichtungen des Geistes, es sind die der Eucharistie als Mahl und Opfer, als Brot für die Welt, zu dem alle eingeladen sind und das an alle sich austeilt. Das zweite: Die vier Merkmale der Kirche bezeichnen auch den Auftrag. Die geistlichen Grundhaltungen stehen nicht neben dem, was zu tun ist, sondern zeigen die Richtungen, den springenden Punkt für das Handeln an. Gewiß, dies gilt für alle im pastoralen Dienst, mit besonderer Deutlichkeit aber für den Laien, für jenen, der aus der sakramentalen Befähigung in Taufe und Firmung heraus sich bestellen läßt, Kirche als seinen Beruf zu haben. Lebendige Zellen bilden, in deren Mitte der Herr lebt, und diese Zellen zu verbinden zu einem Netz, die Einheit zu fördern und dort, wo sie zerbrach, neu anzubahnen: Dienst an der Ecclesia una. Den Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen nahe sein, Resignation und Verschlossenheit in sich selber aufbrechen helfen, Weggenosse sein für die andern, um wieder Glauben und Vertrauen zu lernen, um mehr Glauben und tieferes Vertrauen zu lernen: Dienst an der Ecclesia sancta. Das Ganze im Blick behalten, die Leidenschaft der Welt, Menschheit und Kirche insgesamt wachhalten, in die verschiedenen Lebensbereiche hineingehen und dort von innen und unten her den Geist Jesu und die Kirche präsent werden lassen: wahrhaft katholischer Dienst. Und schließlich einfach Zeuge sein, Glauben anstiften, andere befähigen, nicht nur Konsumenten der Heilsgüter zu sein, sondern den Glauben weiterzutragen, Diener aller zu sein: Dienst des Apostolates. [43] Noch ein drittes sei abschließend vermerkt: Die vier Kennzeichen der Kirche markieren nicht nur die gemeinsame Aufgabe aller im pastoralen Dienst, zuletzt und zutiefst aller Getauften und Gefirmten, die als solche den Auftrag haben, zur Auferbauung der Kirche beizutragen. Sie markieren auch den eigenen Beitrag, der durch das Sakrament des ordo, der Weihe, den Amtsträgern zukommt. In der durch die Handauflegung empfangenen Gabe des Geistes sind sie der leibhaftige Strang der Verbindung hin zum Ursprung. Sie sind in der eucharistischen Zelebration und nicht nur in ihr Ausdruck und Garant der Einheit, die wir alle je neu zu bauen und zu leben haben. Sie sind die Hand des Herrn, die seine heiligende Kraft im Sakrament weiterreicht und die Gabe unseres Lebens verwandelt zur Liturgie der Kirche. Sie sind in sakramentaler Bruderschaft weltweit verbunden und setzen so an jedem Ort die Catholica, die Weltkirche präsent, sie kommen aus der Sendung der Apostel her und tragen sie als den maßgebenden Ursprung und die weiterdrängende Kraft hinein in jede Generation von Kirche. So brauchen kirchliches Amt und Volk Gottes einander. So leben und wirken sie aus dem einen Geist und bezeugen ihn gerade dadurch, daß sie einander je ihre Gabe schenken, damit der Herr selber in der Mitte seiner Kirche lebendig bezeugt werde.