Erzählen von Klaus Hemmerle. Beitrag zu einer Austauschtagung

Frauenbild (Hemmerles Erzählung von der Frau)

Bezüglich der Rolle von Frauen in Gemeinde und Gesamtkirche begegnet in den Schriften Hemmerles immer wieder eine bestimmte Motivgruppe von Eigenschaften. Diese werden nicht selten von einem Idealbild marianischen Lebenszeugnisses abgeleitet und von da aus Frauen – oder „der Frau“ – im Allgemeinen zugeschrieben. Dies umfasst insbesondere Eigenschaften, Haltungen und Tätigkeiten der Innerlichkeit, Hingabe und Unterordnung, oft in und zur Abgrenzung gegenüber der männlich-priesterlichen Berufung und apostolischen Nachfolge.1 Alle Entfaltungsmöglichkeiten als Person bewegen sich innerhalb dieser normierten Rollengrenzen. Aus heutiger und persönlicher Sicht wirken diese Zuschreibungen übergriffig und einengend. Sie festigen ein System dualistischer Weltordnung, mithilfe dessen sich Ungleichheiten zwischen Geschlechtern und Lebensformen2 rechtfertigen und aufrechterhalten lassen. Diesen Ungleichheiten stehen Bestrebungen der Ermöglichung und Befreiung entgegen, behindern oder verunmöglichen sie, weil es nur ein Bild gibt. Dabei entziehen sich die Argumente mithilfe göttlicher oder zumindest apostolischer Legitimation jeder differenzierteren Diskussion.

Gleichzeitig zeigt sich Hemmerle nicht nur interessiert, sondern geradezu engagiert in der Frage nach einem gelingenden Miteinander verschiedener Gruppen von Menschen, auch zwischen den Geschlechtern,3 wenn es um das gemeinschaftliche Leben im Geiste Jesu geht. Weggemeinschaft ist wohl eines der bekanntesten Stilelemente in seinen Schriften und meint viel mehr als die Aufgabe, dass jede und jeder ihren und seinen Platz in der Gemeinschaft findet, an den sie oder er berufen ist. Hemmerle weitet das evangelische Urbild der einmütigen Gemeinschaft zu einem Stilelement beweglicher und bewegender Lebenspraxis,4 sowohl für die Einzelnen, als auch für die Ortsgemeinde und sodann die Weltkirche.5 Darin braucht es Autoritäten, Berufungen und Rollen, der Fokus verschiebt sich jedoch auf die gemeinsame Bewegung im einen Glauben und einen Geist.6 Hier entwickelt Hemmerle eindrücklich eine Erzählung, die zum Anknüpfen, Leben und Erleben einlädt: Weggemeinschaft als Vergegenwärtigung göttlicher Verheißung, die erst entsteht, wenn sie gelebt wird; anders gewendet: die so lange nicht existiert, bis sie jemanden findet, die oder der anknüpft und weitererzählt.