Was fängt die Jugend mit der Kirche an? Was fängt die Kirche mit der Jugend an?
Freiräume*
Von außen betrachtet, erscheint es paradox: Je breiter das Angebot wählbarer Möglichkeiten zur Selbstbedienung für den eigenen Lebensentwurf, je weiter die Maschen rechtlicher und sittlicher Ansprüche und gesellschaftlicher Konventionen im Bezug auf das Verhalten des einzelnen, um so tiefer das Unbehagen über Unfreiheit, um so lauter der Ruf nach Freiräumen. Sicher ist es mehr als problematisch, wenn der Rückzug in die windstille Ecke des Privaten propagiert wird, in welche kein ethischer Anspruch mehr hineinreicht und nichts gilt als die jeweilige persönliche Befindlichkeit: Zerreißung der Welt in das Getto des Privaten und das uninteressante bis böse Treiben draußen. Sicher auch gefährlich, wenn solche Freiräume nicht resignativ als Rückzugsecken, sondern aggressiv als ideologische Spielwiesen dienen. Nichtsdestoweniger müssen wir uns der inneren Logik der Erfahrung stellen, die jene Freiheit nicht mehr als Freiheit identifiziert, die ihr formal zwar gewährt ist, die aber kein Wofür erschließt, das über die innere Leere des Funktionalen hinausführt. Gerade die Notwendigkeit dieses Funktionalen wird hier zum lastenden Zwang. Verhängnisvoll, wenn die gesuchte Freiheit verwechselt wird mit einem bloßen Hinausschieben aller Grenzen oder wenn – und dies trifft den Nerv gerade kirchlicher Verkündigung – die sittlichen und geistlichen Normen und Ansprüche in eine Linie gesetzt werden mit jenen technischen und funktionalen Kommandos, die uns vom Es eines Apparates her beständig steuern. Daß Freiräume nicht neutrale Zonen, nicht Niemandsland sind, daß geistlicher Anspruch und sittliche Norm nicht Entfremdung des Selbst bedeuten, dies ist eine der entscheidenden hermeneutischen Aufgaben von Verkündigung und Jugendpastoral.