Gemeinden für Weltreisende

Gemeinde als Weggemeinschaft? Gemeinde als Erzählgemeinschaft

Klaus Hemmerle betont in seinem Text, dass der Weg die Grundmetapher des Christentums sei. Jesus selber ist für ihn der Weg, den die Kirche den jungen Menschen anbietet. Aus heutiger Sicht frage ich mich aber: Trägt das in einer komplexen Welt? In einer Welt, in der wir ständig die Erfahrung machen, dass es für die allermeisten Probleme eben nicht den einen klaren, alles lösenden Weg gibt? Wir erleben heute Lösungen meistens als fragmentarisch, als lokal. Das geht von den großen politischen und gesellschaftlichen Fragen bis hinein ins Persönliche, wo es auch nicht den einen klar vorgezeichneten Weg gibt. Stehen wir dann vor der Wahl: Entweder Jesus ist eben nicht mehr so wichtig, nur eine Möglichkeit unter vielen anzusehen, oder es führt kein Weg an ihm vorbei und wir vertreten genau den Exklusivismus, der die christliche Botschaft schon so viel Glaubwürdigkeit gekostet hat?

Ich glaube, es gibt eine weitere Möglichkeit und in der wird Hemmerles Rede von der Weggemeinschaft wieder sehr wertvoll. Nämlich dann, wenn wir zuerst einmal in aller Konsequenz die Freiheit der Lebensentscheidung von Menschen anerkennen und mit der Möglichkeit rechnen, dass jeder dieser Wege das Potential hat, „Christus nachzugehen“. Das bedeutet ganz viel Verzicht auf geistliche Autorität, auf den Anspruch zu wissen, wie es geht. Das Ziel kirchlichen Handelns ist dann nicht die Verkündigung des christlichen Glaubensinhalts, sondern die Ermöglichung eines Ortes, an dem Menschen ihre Identität ausbilden, sich selber als Weltreisende besser verstehen und auf jedem ihrer Wege potentiell Gott als ihren Begleiter entdecken können. Sie lösen damit einen Wunsch von Klaus Hemmerle ein, den dieser einmal in einem Hirtenbrief formuliert hat. Viele von ihnen werden ihn kennen. „Wenn Kirche wirklich Erzählgemeinschaft von Gott würde, dann könnte sie der Welt etwas geben, was andere ihr nicht geben können“.

Eine solche Weggemeinschaft fördert eine narrative Spiritualität unter den Einzelnen. Sie werden dadurch das, was ich gern Prophet*innen des eigenen Lebens nenne.

All das wird aber nur möglich sein, wenn Kirche und ihre Gemeinden verstehen, dass sie immer nur Gemeinschaft auf Zeit sind. Sie reisen nicht von Anfang bis Ende miteinander, sondern nur für Etappen. Denn die Reisewege sind nicht für alle gleich und jeder entscheidet für sich, wann er die Route wieder ändert. Das kann man Funktionalismus nennen – oder diakonische Katechese. Menschen wie Jakob wird man für dieses Modell gewinnen können. Und Menschen wie mich auch.