Gerufen und verschenkt. Theologischer Versuch einer geistlichen Ortsbestimmung des Priesters

Gemeinschaft als Dienst- und Lebensform des Priesters

Von welcher Seite aus wir auch ansetzen, ein gültiges Konzept priesterlichen Dienstes wird nicht zu gewinnen sein, ohne daß da ein zentraler Punkt, wenn nicht der zentrale Punkt in ihm der Dienst an der Communio ist. Dann aber drängt sich die Frage auf: Wo und wie gewinnt dies für die Lebens- und Dienstform des Priesters selbst Bedeutung und Gehalt? Ein bloß einsamer Ingenieur der Communio anderer, dies wäre ein Widerspruch in sich und ein Widerspruch zu der Botschaft, die wir dem 17. Johanneskapitel entnahmen. Daß Jesus der Bitte um die Einheit aller, die durch das Wort der von ihm gesandten Jünger zum Glauben kommen (Joh 17,20–23), die andere und doch selbe Bitte vorausschickt, daß diese seine Jünger selber miteinander eins seien (Joh 17,11), ist nicht nur im zeitlichen Sinne zu verstehen, sondern auch im Sinne einer besonderen Dringlichkeit: Jene, die der Herr sendet, sind zuerst und im Dienst an der Einheit aller gehalten, miteinander in der Einheit zu leben. Gleichviel, ob diese Aussage exegetisch ausgewiesen werden kann, der inneren Logik der Sache nach trifft sie zu. Hier aber [134] wollen wir zunächst zwei objektive, konstitutive Aspekte solchen Einsseins der von dem Herrn in seine besondere Sendung Genommenen bedenken, ehe wir uns Fragen des Vollzuges zuwenden.

,,Katholische“ Einheit

Der erste Aspekt betrifft die Katholizität der Communio, Einheit als übergreifendes und nicht nur punktuell zu verstehendes Prinzip von Kirche. Wenn wir die Leidenschaft des Herrn für die Einheit der Seinen verstehen, dann können wir den intensiven und extensiven Charakter dieser Leidenschaft nicht voneinander trennen. Einheit muß also hier vor Ort, hier unter diesen bestimmten Jüngern konkret gelebt werden, sie ist Einheit mit den Nächsten. Aber dieser Kreis der Nächsten, diese Einheit hier und jetzt kann sich nicht herausnehmen aus der weltumspannenden, gesamtkirchlichen Einheit. Es ist Beglaubigung der inneren Dynamik der Einheit, daß auch eine in einer Zelle, in einer Gemeinde, in einer Gemeinschaft gelebte Einheit sich öffnet und verschenkt an die Communio des Ganzen. Das Verhältnis zwischen dir und mir in der Einheit des Glaubens und der Liebe muß offen sein für das Verhältnis zwischen unserem Wir und dem umfassenden Wir der gesamten Kirche. Gerade hier sind die Verantwortung und der Beitrag des Priesters besonders gefordert: Er ist als Diener und Anwalt der Communio hier und jetzt Diener der Communio überall und immer, der Ecclesia catholica et apostolica. Der eine Glaube und die eine Liebe sollen überall entzündet werden, überall Gestalt und Farbe gewinnen gemäß den Umständen von Raum, Zeit, Natur und Kultur. Aber darin sollen sie auch und sogar vor allem die weltweite Einheit des Glaubens und der Liebe verdeutlichen. Communio [135] ist umgreifend, oder sie ist nicht. Bischof und Priester sind in Beschlag genommen von Jesus Christus, sie kommen aus seinem Ursprung her in die Welt hinaus. Sie sind sein „Denkzettel“, sein wirksames Erinnerungs- und Ursprungszeichen überall. Und – dies eröffnet die Communio-Struktur von Kirche notwendig – sie sind ebenso der „Denkzettel“, das wirksame Erinnerungszeichen und der Anwalt der Kirche im ganzen, der Kirche auf der ganzen Welt. Schon von daher ist jedes possessive Denken eines Amtsträgers, jene Fixierung auf „seine“ Gemeinde oder „sein“ Bistum, „seine“ Aufgabe allein eine Verschattung seines Auftrags. Ich soll mich ganz hineingeben in den Auftrag, den mir der Herr durch die Kirche gab. Aber ich soll ihn nicht festhalten wie einen Raub; ich darf in ihm auf-, aber nicht in ihm untergehen. Gerufen sein heißt rufbar bleiben, Zeuge sein heißt unterwegs bleiben, Diener der Einheit sein heißt Diener der je größeren Einheit sein.

Communio – Struktur des Amtes

Der zweite Aspekt ist mit dem erstgenannten dicht verflochten. Kirchliches Amt selber, im Ordo sakramental verliehen, ist in seiner Struktur nicht nur auf die Communio hin angelegt, sondern auch von ihr her in sich geprägt. Das wird an drei sich ergänzenden Prinzipien deutlich, aus denen der geistliche Grundriß dieses Amtes zu ermitteln ist. Das erste Prinzip: Das geistliche Amt dient der Communio der Kirche mit Jesus Christus. Darauf kommt es an, daß Er zum Zuge kommt; es gibt keine andere Vollmacht in der Kirche als die seine. Und wo er an der seinen teilgibt, da kommt alles darauf an, die eigene Amtsführung, den eigenen Dienst auf ihn hin transparent werden zu lassen. Das zweite Prinzip: So wie der Sohn vom Vater gesendet ist (vgl. hierzu Joh 17,3 und 18; sowie Joh 20,21) und der Vater [136] somit in Jesus Christus anwesend ist, so wie also in Jesus Christus der Vater durchscheint und zugleich seine Com munio mit dem Vater sich in ihm eröffnet und durch ihn uns teilgegeben wird, so ist der einzelne Amtsträger von Jesus Christus ergriffen, berufen, bevollmächtigt. Seine Sendung ist nicht sein Eigentum, über das er verfügen und an dem er festhalten könnte; aber sie ist ihm verliehen, ihm in gewisser Weise „ausgeliefert“ und er ihr, er kann sich von seiner Sendung und Vollmacht nicht dispensieren. Dies aber setzt ihn in eine personale und unvertretbare Beziehung zu dem ihn sendenden Herrn und nimmt von ihm her ihn in Anspruch für die Communio, die durch ihn wachsen und währen soll. Das dritte Prinzip: Je ich bin gerufen und gesendet, aber nie ich im Alleingang, immer ich zusammen mit..., immer ich in einem umgreifenden Kontext. Gerade so wird das Herauswachsen des Amtes aus der Communio des Sohnes mit dem Vater ernst und konkret, gerade so wird auch deutlich, daß der eigentliche „Hirt und Bischof der Seelen“ (1 Petr 2,25) jener ist, der in unserer Mitte, in der Gemeinschaft der vielen Hirten lebt. Verdichten wir die Aussage: Jesus Christus allein – ich selbst – wir gemeinsam. In diesem Dreieck, in dieser Beziehung wird geistliches Amt vollzogen, werden seine Daten lesbar und wird die Sendung lebbar. Es wäre sinnvoll (sprengte aber den Rahmen), diesen allgemeinen Zusammenhang zu konkretisieren im Blick auf die Verantwortung des Bischofs für seine ihm anvertraute Teilkirche einerseits und seine Zugehörigkeit zum Kollegium der Bischöfe und die darin eingeschlossene Verantwortung auf die Weltkirche andererseits. Es wäre ebenso möglich und wichtig, darüber nachzudenken, weshalb und auf welche Weise der Papst allein für die ganze Communio der Kirche sprechen und handeln kann und wie auf der anderen Seite [137] diese Communio zugleich im Sprechen und Handeln des Bischofskollegiums mit dem Papst gemeinsam zum Ausdruck kommt. Es wäre weiter lohnend, es einmal als eine Art Baugesetz zu bedenken, wie jedes Amt und jeder Amtsträger auf je spezifische Weise im Schnittpunkt verschiedener Ebenen von Communio steht; wie der Amtsträger, aus einer Communio herauswachsend, in den Dienst an einen anderen gewiesen ist, an der er so zugleich teilhat, der er also nicht nur gegenüber-, sondern zugleich innesteht.

Presbyterium als Standort des Priesters

Wir wollen uns hier indessen auf zwei für den priesterlichen Dienst wichtige Konkretionen beschränken: zum einen auf den Standort des Priesters im Presbyterium seines Bistums; zum anderen auf das Innestehen des Priesters zugleich im Presbyterium, in der Gemeinde oder Gemeinschaft und im Kreis seiner vielen und verschiedenartigen Mitarbeiter. Man kann immer wieder hören, das Zweite Vatikanische Konzil habe viel von den Bischöfen und den Laien gesprochen, dabei sei aber die Behandlung gerade des priesterlichen Dienstes ein wenig zu kurz gekommen. In der Tat sind die theologischen Aussagen des Konzils über das Bischofsamt und über den Anteil der Laien an der Sendung der Kirche schärfer profiliert. Es wäre engstirnig zu bedauern, daß nach dem Konzil der Anschein einer All- und Alleinzuständigkeit des Priesters für „seine“ Gemeinde auf doppelte Weise abgebaut ist. Es ist aufgrund des Konzils ganz klar: Der Priester, zumal der Pfarrer, ist nicht „Kleinbischof“, so daß das Bistum unter dem Bischof sich zusammenfügte aus autarken Bauklötzen, die es irgendwie zusammenzufügen gilt; und der Bischof ist somit auch nicht sozusagen ein schneebedeckter Berggipfel, der freundlich bis kritisch, aber distanziert in den [138] Kreis der anderen, etwas niedrigeren Berge (sprich: Priester) hineingrüßt, zwischen denen jeweils tiefe Täler klaffen, die zu überschreiten kaum einmal not tut. Und es ist nach dem Konzil ebenfalls nicht mehr möglich, den Priester als Alleinveranstalter der Pastoral zu betrachten. Er ist bezogen auf die vielen Gaben und Dienste, die vom Geist in das Volk Gottes hineingelegt sind. Er muß den Diakonat und die vielen Laien achten, die aufgrund von Taufe und Firmung Anteil haben an der Sendung der Kirche (vgl. besonders Gaudium et spes, 12 und 30, und Apostolicam actuositatem insgesamt). Bei näherem Zusehen enthalten jedoch die Konzilsdokumente eine in ihren Konsequenzen noch gar nicht hinreichend „angekommene“, ins Gefühl und Gefüge der Gläubigen wie der Priester insgesamt tief eingreifende neue Akzentsetzung im Priesterbild. Das Stich wort heißt: Presbyterium (vgl. besonders Lumen Gentium, 28; Christus Dominus, 28, auch 11 und 15; Presbyterorum ordinis, 7 und 8; beachte den wichtigen Ausdruck „sakramentale Bruderschaft“). Worum geht es da? Zunächst einmal: Es geht nicht darum, den Wert und Rang der einzelnen Pfarrgemeinde zu verringern, an die Stelle der Pfarrgemeinden eine neutrale Organisation von „Großraumseelsorge“ zu setzen, die von einer Leitstelle aus mit Diensten, unter ihnen auch Priestern, versorgt wird. Wohl aber muß zwei Sachverhalten Rechnung getragen werden, und – dies sei ausdrücklich betont – nicht allein und nicht zuerst im Blick auf den Priestermangel. Auch wenn wir mehr, viel mehr Priester zur Verfügung hätten, wäre die hier angesprochene Neuorientierung theologisch und situationsgemäß fällig. Der Priester ist selber Priester, aber er ist es als Mitbruder seiner Mitbrüder in Hinordnung auf den Bischof. Er kommt in die Gemeinden und in die anderen Aufgaben, für die er bestellt ist, aus einer Gemeinsamkeit heraus. Er wurde nicht berufen, um irgendwo nach [139] seinen Vorstellungen und Fähigkeiten und durchaus auch mit seinen vom Geist verliehenen Gnadengaben eine Gemeinde, einen Bereich oder, im Laufe seines Priesterlebens, vielleicht auch deren zwei oder drei nach seinen Ideen, vielleicht durchaus rechtmäßigen und rechtgläubigen, zu formen. Er ist gerufen, um sich der Kirche zur Verfügung zu stellen; um in Communio mit seinem Bischof und anderen Mitbrüdem dafür Sorge zu tragen, daß Communio im ganzen Bistum wächst, daß Kirche als weltweite Communio gegenwärtig wird. Das possessive Reden von „meiner“ Gemeinde geht eigentlich nicht an. Ich bin als Priester ganz ihr zugewandt und zugetan; aber ich bleibe, solange ich als Priester wirke, unterwegs, in der Bereitschaft zum Aufbruch, zum Dienst am größeren Ganzen. Das soll nicht zu einer Heimatlosigkeit, zu einem nervösen Schweben über Menschen und Dingen führen, ganz im Gegenteil. Aber nur, wenn ich mein Herz letztlich nicht hier oder dort endgültig festgemacht habe, sondern im Herrn allein, wird in meiner Pastoral der Unterschied zwischen einem warmen, aber engen Sich-Wohlfühlen und der Communio Christi sichtbar werden. Ich bin ganz da, aber es geht dabei um sein Dasein – und es geht um die Öffnung, um meine und der anderen Öffnung für die anderen, für die in den Gemeinden nebenan, für die im Gesamt des Bistums oder der Weltkirche, für jene, die draußen stehen. Dieses Priesterbild kann freilich nur glaubwürdig und menschlich gelebt werden, wenn der Priester auch mit seinem Herzen und mit seinem Wesen ja sagt zur umgreifenden Gemeinschaft des Presbyteriums mit dem Bischof. Was oben vom gegenseitigen Innesein, vom Verhältnis des Vaters und des Sohnes und seiner Abbildung in unserem gegenseitigen Verhältnis gesagt wurde, das gilt in erster Linie von der „sakramentalen Bruderschaft“ der Priester. Es ist nicht leicht, hier Barrieren abzubauen und von einem funktionalen in ein [140] wahrhaft herzliches und geistliches Miteinander hinüberzukommen. Wir reden uns normalerweise vor dieser schweren Aufgabe damit heraus, daß unsere Arbeit, der Drang der Ansprüche und Erwartungen, die an uns gerichtet werden, mehr Gemeinsamkeit einfach nicht zuläßt. Was in anderem Kontext über das Gebet gesagt wurde, das gilt auch hier entsprechend: Zeit für Gott ist Zeit für die Gemeinde; Zeit für die Mitbrüder ist Zeit für die Seelsorge. Kann Er zwischen uns sein? Oder sind Vorbehalte und heimliche Urteile der Staub, der den Zwischenraum besetzt, in welchem Gott bei uns und mitten unter uns sein will? Sicher, wir müssen Geduld haben miteinander, damit dieses neue Priesterbild wächst. Und es bleibt schwierig, bei wachsendem Arbeitsdruck die Zeit für die Mitbrüder zu finden. Aber es gibt das Telefon; es gibt für jene, die leidenschaftlich dazu entschlossen sind, Mittel und Wege, sich doch am Abend, sich doch bei einem Mittagessen, sich doch im Umfeld einer gemeinsamen Verpflichtung und eines Termins menschlich, brüderlich, geistlich zu treffen. Geistliche Gemeinschaften von Priestern können da eine Hilfe sein. Sie sind nicht das Alibi für meine konkrete Gemeinschaft mit denen, die in den pastoralen Strukturen meine „Nächsten“ sind. Aber wenn sich durch eine gemeinsame Spiritualität leichter Herzen und Zunge lösen, so werde ich auch ein offeneres Herz und eine wachere Gesprächsbereitschaft dem Mitbruder mit der anderen „Wellenlänge“ entgegenbringen. Freilich muß dies die Nagelprobe darauf sein, daß ich nicht mich selber in geistlicher Gemeinschaft suche, sondern den Geist: Dieser Geist muß mich offener und verstehender werden lassen für den Bruder nebenan, mit dem ich mich schwertue, offener und bereiter auch, Aufgaben und Termine des Gesamtpresbyteriums wahrzunehmen. Dem neu akzentuierten Priesterbild entspricht – wir berührten es schon – ein neues Gemeindebild. Wenn der [141] Priester nicht mehr allein auf seine Gemeinde blickt, wenn er tiefer in der gemeinsamen Verantwortung mit anderen zugleich fiir das Ganze beheimatet ist, so wird er zunächst schier unweigerlich vor Ort enttäuschen. Er wird nicht mehr alles wahmehmen können, was man gerne von ihm getan bekäme. Er soll dies nicht ärgerlich „abschmettem“, weil er die größere Perspektive habe. Aber er soll Verständnis und vor allem Bereitschaft dafür wecken, daß Gemeinde immer mehr Dienste, immer mehr Sorge der einzelnen und der anderen, immer mehr lebendige Communio aus sich selber heraus wachsen lasse. Und er soll der einzelnen Gemeinde oder dem einzelnen Kreis sein weiteres Herz liebend schenken, so daß auch bei dieser Gemeinde oder bei diesem Kreis das Interesse für das größere Ganze, der Atem der Ecclesia catholica wächst.

Priester-Gemeinde-Mitarbeiter

Das zweite Thema, das wir ansprachen, ist bereits präsent geworden. Der Priester steht in mehreren Ebenen der Communio zugleich. Er ist verwurzelt im Presbyterium um den Bischof. Er ist hingeordnet auf eine Gemeinde oder deren mehrere, auf einen Kreis oder deren mehrere. Er ist Mitarbeiter von Mitarbeitern. Solche Schnittpunktexistenz gelingt nicht leicht. Und doch ist sie in unserer immer mehr in Sektoren zerfallenden Welt eine Bedingung dafür, daß überhaupt Zusammenhang und Zusammenhalt des Ganzen erfahrbar werden. Wir haben schon im Rahmen anderer Thematik davon gesprochen: Das Ich verliert mehr und mehr seine innere Einheit, den roten Faden, der seine vielen Rollen, die vielen Schauplätze seiner Selbsterfahrung, zusammenbindet. Es fiel uns auf: Nur als ein Angenommener, Gekannter, Geliebter vom Herrn findet der [142] Mensch und findet der Priester sich selbst. Und in ihm findet er das Viele und die Vielen. Es ist die einzige Möglichkeit, aber auch die Chance der Schnittpunktexistenz, die der Priester heute, im Grunde aber immer wahrnehmen muß: in sich selbst die geistliche Mitte, den lebendigen Herrn, zu finden, der alles hält und zusammenhält. Unsere Besinnung auf Jesu Hohepriesterliches Gebet trägt hier indessen eine neue Farbe, eine neue Note ein. Der Herr in mir und in dir, er ist der Herr zwischen uns, der Herr, in dem wir sind und der in uns ist. Er ist es, der im Presbyterium, der in meiner Gemeinde (meinen Gemeinden), der im Kreis der Mitarbeiter der eine und derselbe und immer und überall das Band der Einheit sein will. Mit ihm leben heißt mit dem leben, auf den es überall ankommt. Mich hat tief betroffen, was ein ausländischer Arbeiter mir vor Jahren erzählte, als ich mich darüber wunderte, daß er jeweils nach einem harten Arbeitstag noch recht andächtig eine Zeitlang vor dem Tabernakel verweilte, bevor er nach Hause ging. „Wie schaffen Sie das? Sind Sie nach der Hast und Mühe des Tages nicht unkonzentriert?“ fragte ich. Seine Antwort: „Ich versuche, den ganzen Tag bei Ihm zu sein. Dann ist es nicht schwer, von Ihm zu Ihm zu gehen.“ Unterwegs sein, in vielen Ebenen, auf vielen Schauplätzen – es ist und bleibt eine Last. Aber es ist der Weg von ihm zu ihm. Jede Ebene der Communio bereichert die andere, jede trägt die andere, wenn wirklich Er die eine Mitte ist. Ein weiterer Aspekt des Zusammenhangs zwischen Communio und Lebensform des Priesters muß berührt werden. Als wir ihn als einen Gerufenen betrachteten, da stießen wir auf jene Momente der Berufung, die der Sache nach Zusammenhängen mit den „evangelischen Räten“: Ehelosigkeit, Gehorsam, Armut. Wenn wir den priesterlichen Gehorsam, den priesterlichen Lebensstil und den priesterlichen Zölibat von der Communio her anvisieren, dann gewinnen [143] wir eine neue Sicht. Es geht beim Gehorsam nicht nur um eine Einfügung und Unterordnung, die in unser eigenes Selbstgefühl und Urteil einschneidet, es geht um die von innen her erfüllte und gelebte Einheit. Heißt unser Standort „Presbyterium um den Bischof“, dann wächst der Freimut, sich selber einzubringen, aber es wachsen auch die Bereitschaft und die Möglichkeit, das Ganze ins eigene Denken und in den eigenen Dienst einzubringen. Der Gehorsam verliert seine Härte nicht, sowenig er für Jesus Christus seine Härte verlor. Aber es ist nicht mit der äußeren Anpassung, nicht mit dem Vermeiden der Konfrontation und des Konfliktes getan, sondern jener schmerzliche, aber mehr noch fruchtbare und reifende Prozeß findet statt, der zur Einheit des Denkens führt, welche – vielen anderslautenden Parolen zum Trotz – die Glaubwürdigkeit und die Freiheit in der Kirche nicht mindert, sondern mehrt. Der Lebensstil wird mehr als von einer individuell ansetzenden Armut vom Teilen miteinander, vom Dasein füreinander, von der Rücksicht aufeinander, vom gemeinsamen Zeugnis bestimmt sein. Dies kann für die Communio unter den Priestern, aber auch für das Zeugnis der Priester vor den Gemeinden eine entscheidende Hilfe bedeuten. Und schließlich wird deutlich, daß es sich beim priesterlichen Zölibat nicht allein um einen individuellen Verzicht auf Erfüllung in Ehe und Familie handelt, sondern um ein gemeinsames Zeugnis. Die Ehelosigkeit der Weltpriester entspricht der gemeinsamen Beziehung zum Herrn in der Mitte, bindet uns als Brüder zusammen, im immer neuen Abschied von uns selbst, im immer neuen Zugehen auf die Menschen, denen wir sein Dasein für sie in unserem Dasein zu verdeutlichen haben. Ist das nicht alles zu schön, um wahr zu sein? Ist es nicht zu hoch, um verwirklicht zu werden? Ist es nicht zu glatt, um gelingen zu können? Der nächste Vers nach dem Hohepriesterlichen Gebet hebt an: „Nach diesen Worten ging Jesus mit [143] seinen Jüngern hinaus, auf die andere Seite des Baches Kidron. Dort war ein Garten; in den ging er mit seinen Jüngern hinein“ (Joh 18,1). Wir sagten es bereits: Die Ortsbestimmung des Priesters durch das am Kreuz, ja am Schrei der Gottverlassenheit abgelesene „absolute Zwischen“ ist keine andere als jene durch die Communio. Wer sich an diesen Ort begibt, wird die Spannung, aber auch die Freude solchen Geschehens der Gleichung erfahren.