Volk Gottes auf dem Weg

Gewissen der Menschheit

Gerade daraus aber läßt sich das Interesse an der Kirche erklären. Hier liegen auch seine Gefahren, doch ebenso seine Chancen be­gründet. Wir sagten bereits: Kirche ist mehr gefragt als Religion. Eine Vorstellung von Gott, ein Bild Gottes versagt sich dem heutigen Menschen. Die Stimme der Verantwortung, die ihn ruft, ist vielleicht die einzige oder doch die deutlichste „Spur“ Gottes in unserer Welt. Diese Verantwortung aber ruft zur Menschheit, zum Ganzen, zum Morgen. Das Hinhören auf diese Stimme hört zwar, in einer Auto­nomie des Menschen wie nie zuvor, hinein ins „Gewissen“ des ein­zelnen, und doch spürt, oft unreflektiert, der Mensch, daß „sein“ Gewissen hier nicht genügt. Er hält Umschau nach einer Gemeinschaft, in welcher, gesellschaftlich verfaßt, wie alles, was ihm als [5] wirklich begegnet, das Gewissen der Menschheit und für die Mensch­heit ihn anredet. Und hier eben wird die Kirche von Belang. Selbst­verständlich wird sie nicht ausdrücklich als das Gewissen der Welt anerkannt. Ja, ihr Wort (und weithin identifiziert man das Wort des Amtes einfachhin mit dem ihren) hat nicht einmal die Wahrscheinlichkeit für sich, eher angenommen zu werden als ein Wort von anderswoher. Und doch gehört die Frage an den Christen für die wachen Zeitgenossen in den oft undurchschauten Prozeß der Willens- und Meinungsbildung hinein: Was meint ihr dazu? Was meint eure Kirche dazu?