Glauben – wie geht das?

Gottesbild – Weltbild

Daß sich im Gottesbild etwas wandelt, wenn das Weltbild sich wandelt, das versteht sich beinahe von selbst. Wie wir Gott sehen, was wir von ihm sagen, das hängt zusammen mit den Erfahrungen, die wir machen, mit dem Leben, das wir erleben, mit dem Gang der Welt, in den wir mit unseren Erwartungen und Befürchtungen eingespannt sind. Natürlich bedeutet das eine perspektivische Verkürzung unseres Gottesbildes – eine solche gehört sogar notwendig zu unserem Gottesbild hinzu, weil wir eben endliche, geschaffene Wesen sind. Die weltbildliche Verengung unseres Gottesbildes ist aber nicht nur ein Defizit. Daß Gott überhaupt in den begrenzten Blickwinkel unseres Weltbildes eintreten kann, ist ein Zeichen seiner Größe, und daß wir die Spuren unserer Armseligkeit und Endlichkeit mitbringen, wenn wir vor Gott hintreten und auf ihn blicken, das läßt ihn für uns lebendiger und näher werden. Nur wenn er „mein“ Gott, „unser“ Gott ist, nur wenn er meine endliche und geschichtliche Situation betrifft, erfahre ich die Wucht seiner unendlichen Bedeutsamkeit.

Weniger geläufig ist die Umkehrung unseres Satzes: Wenn das Gottesbild sich wandelt, dann wandelt sich auch das Weltbild. Es wäre verlockend, diese Umkehrung durch mancherlei Beispiele aus dem Gang des philosophischen und religiösen Denkens der Menschheit zu belegen. Doch stoßen wir unmittelbar vor zum Ra- [167] dikalfall: Das neue Gottesbild in Jesu Botschaft von der herannahenden Gottesherrschaft bedingt auch ein neues Weltbild. Wenn die Sonne heraufkommt über den Horizont und unseren Sichtraum unmittelbar an- und ausleuchtet, dann verwandelt sich alles. Wenn Gott nicht mehr nur die entzogene Quelle unserer Zukunft jenseits des Horizontes ist, sondern Zentrum unseres Lebens und unserer Geschichte werden will, dann wird die Welt neu.

Wir stehen freilich noch in jenem zwielichtigen Zwischenraum: der Anfang der Gottesherrschaft ist eindeutig und unwiderruflich in Jesus Christus gesetzt – die Vollendung steht noch aus. Das Neue der neuen Schöpfung ist nicht allen Augen, sondern nur dem Glauben sichtbar. Aber weil Glaubende ihren Glauben leben, tritt es doch in die allen erfahrbare Welt ein, so wie sie jetzt ist. Denn glaubend gehen wir anders heran an die Welt, im Glauben bedeuten uns ihre Glücksfälle und Enttäuschungen, ihr Licht und ihre Schatten etwas anderes – und die Weise, wie wir hoffend und liebend durch diese Welt gehen, wie wir sie „lassen“ und uns ihr zuwenden, fordert unsere Mitmenschen heraus und wirkt hinein in unser gemeinsam mit allen zu bestehendes Geschick. Christlicher Weltdienst soll Gottes Liebe zu dieser Welt und soll die Vorläufigkeit dieser Welt, soll die weltbejahende und weltübersteigende Kraft unserer Hoffnung bezeugen. Christlicher Weltdienst soll ganz einfach Gottes Liebe mittun, das Werk seiner Hände soll uns angelegen sein, wie den Kindern des Künstlers das Werk ihres Vaters angelegen ist. Und was Menschen mit Gottes Welt anfangen, soll uns angelegen sein, so wie Geschwistern angelegen ist, was Geschwister mit dem gemeinsamen Erbe anfangen – und zwar nicht nur um ihres Anteils willen, sondern um des Erbes selber und um der Geschwister willen.

Doch kehren wir uns unmittelbar unserem Thema zu: Wie verändert das neue Gottesbild Jesu das Weltbild? Wie geht, in der Sicht unseres Glaubens, diese Welt und wie geht der Glaube in ihr?