Volk Gottes auf dem Weg

Hierarchische und charismatische Elemente

In der Kirche von heute erscheint es als besonders dringlich, daß die Liebe als ihr Lebensgesetz sichtbar wird. Je unselbstverständlicher die Botschaft Jesu in der Welt steht, desto mehr ist ihre Verständlichkeit auf Zeugnis der Liebe allein angewiesen, desto tiefer wird das Mißverständnis und Unverständnis allem gegenüber, was an der Kirche nicht deutlich genug dieses eine Wort ausdrückt: Liebe. Gerade angesichts dieser Situation aber ist es ebenso notwendig, die rechtlichen, amtlichen, äußerlichen Elemente, die zum geschichtlichen Leben der Kirche gehören, nicht zu vernachlässigen, sondern auf ihren Grund hin durchsichtig werden zu lassen: auf die Bundesliebe Gottes, die unabhängig von menschlichem Versagen bei der Kirche und durch sie bei der Welt ausharrt.

[29] Ein weiteres ist notwendig und ist uns heute deutlicher geschenkt als durch lange Zeiten der Kirchengeschichte hindurch: Die Struktur der Kirche läßt sich nicht erschöpfend fassen durch die Gegenüber­stellung von hierarchischem Amt und Laien allein. Wir sahen es bereits: Der einende Dienst des Amtes ist nicht der einzige Dienst in der Kirche. Das Amt ist eine Gnadengabe für viele andere, so aber auch unter vielen anderen Gnadengaben desselben Geistes (vgl. 1 Kor 12,1–11; Röm 12,3–8; Eph 4,7–13). Die „Laien“, das sind nicht einfachhin die „Nicht-Amtsträger“, erst recht nicht bloß passive Empfänger von Lehre und Leitung, sondern auf vielfältige Weise Mitverantwortliche an der einen Sendung der Kirche (vgl. bes. Kirchenkonstitution Nr. 30–38). Sind alle Funktionen und alle Gaben in der Kirche gleich wichtig, so sind sie doch nicht gleichartig, und es wäre eine Verkürzung, sowohl wenn das Amt den Beitrag aller Laien „gleichschalten“ wollte, als wenn Laien versuchten, ihre Mitverantwortung an der einen Kirche als Gleichschaltung ihrer Funktion mit der des Amtes zu betrachten.

Gerade die Vielfalt der Gaben und Aufgaben in der Kirche kann heute kaum zur Geltung und Wirkung kommen ohne die „Räte“ kirchlicher Mitverantwortung, in welchen die verschiedenartigen Aufgaben und Notwendigkeiten der Kirche in gegliederter Gemeinsamkeit aller aufgegriffen werden. Daß es hierbei zu Reflexionen über die verschiedenen Kompetenzen kommt, ist verständlich; bliebe man bei ihnen stehen, so wäre das gerade jenes Zurück­bleiben hinter der Liebe, durch welches die eigene Tat und Gabe, wären sie in sich noch so wichtig, zum tönenden Erz und zur klingenden Schelle würden (1 Kor 13,1–3).