Gerettetes Wort – rettendes Wort

Hunger nach Zusage*

Aber was wird vom Ursprung erwartet? Nur ein bißchen unverbrauchte Lebendigkeit, die dann doch wieder eingespeist wird ins Geschäft des Agierens und Reagierens, Produzierens und Konsumierens? „Vermarktete“ Ursprünglichkeit oder methodisch gemachte Ursprünglichkeit zeigen, wie recht der besorgte Ton solcher Frage [357] hat. Folgen wir jedoch der innersten Kraft der Sehnsucht nach den Ursprüngen, dann tritt etwas anderes zutage: Hunger nach Zusage. Ungeborgenheit, das Gefühl, nicht angenommen zu sein, die Not, sich selber anzunehmen, bestimmen den personalen Erfahrungsraum vieler Menschen, gerade der Jüngeren und der Älteren. Flucht in wortlosen Rausch oder in berauschende Worte sind die Zerrform der Suche nach dem Wort, das mich und die anderen und die Zukunft mir zusagt. Zukunft, die nicht nur das Leben lohnt, sondern zum Leben befähigt, Zukunft, die du mir bist und die ich dir bin, indem mehr als nur du oder ich in dir und mir sich zusagen und so erst dir und mir Kraft geben, einander uns zuzusagen – so könnte man die Grundstruktur dieses Hungers nach Zusage verdichtet wiedergeben.

Doch ist solches wirklich am Werk? Sprechen nicht die Anzeichen dagegen? Ist nicht die vielleicht schwerwiegendste Not des Wortes die, daß wir uns nicht mehr getrauen, bindende Zusagen, solche, die wahrhaft uns und unser Leben ausschließlich und ganz in sich tragen, zu machen und anzunehmen? Ist die tiefste Wortnot nicht die Bindungsnot Vertrauensnot, die sich angesichts so und so vieler nicht getroffener, nicht gewagter, widerrufener Lebensentscheidungen dartun? Diese Phänomene widersprechen nicht der aufgestellten These, sondern decken gerade auf, wie notvoll es um das Menschsein bestellt ist, wo das prophetische Wort der Zusage von Zukunft und damit von Ich, Du und Wir verschattet und entzogen ist. Und aus solcher Ohnmacht des zusagenden Wortes wächst eben die mitunter selbst verschattete, oft aber auch ungestüm offene Frage nach der ganzen, heilenden Zusage. Gerade an diesem Punkt wird die menschliche Situation „adventlich“: Menschliches Verstummen und menschliches Reden suchen das Wort, das nicht nur uns, sondern den Herrn der Zukunft beim Namen nennt. Jahwe, „Ich werde sein, der ich sein werde“, „Ich-bin-da“, dieser Gottesname und seine Einlösung in der leibhaften, menschlichen Nähe des menschgewordenen Sohnes Gottes sind der Pol, von dem die Kompaßnadel menschlicher Unruhe angezogen ist.

Sicher, Worte sind zuwenig, um das Wort und in ihm den Menschen zu retten, aber das Wort, das Fleisch wird, das Wort, das Nähe und Teilhabe an unserem Leben wird und in dem zugleich unser Leben und seine Sehnsucht den Namen und die Deutung finden: diese überbietende Erfüllung allen prophetischen Wortes ist das wahrhaft rettende Wort für die Menschheit.