In welchen Fragen sollen Kirche und Christen öffentlich sprechen?

Inhaltliche Dimensionen des Grundauftrags der Kirche

Die Menschen, die sich auf das Bundesangebot Gottes einlassen und darum von Jesus Christus her leben, sind nicht isolierte einzelne Gläubige, sondern Gemeinschaft des Glaubens: Kirche. Die Aufgabe der Kirche ist definiert durch den Bund: In der Kirche realisiert sich die Zuwendung der Menschheit zu Gott hin, die Antwort der Menschheit an ihn; in der Kirche und im Leben ihrer Glieder soll Gott als Gott aufgehen für die Welt. Zugleich lebt aber die Kirche von Gott her; sie trägt sein Angebot und seinen Anspruch weiter an die Welt. Gerade darin aber, als Sachwalterin des Bundes mit Gott, ist sie nicht nur Sachwalterin Gottes, sondern auch Sachwalterin des Menschen und der Welt. Weil Mensch und Welt auf Gott zu geschaffen, zum Bund berufen sind, ist die Kirche auf den Plan gerufen, wo Welt und Mensch verkannt und verkürzt werden. Daraus resultieren drei Inhalte des Grundauftrags der Kirche, Sachwalterin des Bundes zu sein.

Verherrlichung Gottes: Wenn der Mensch der von Gott Angesprochene ist, dann erfordert der Bund, daß auch Gott der vom Menschen Angesprochene, daß er jener ist, dessen Name unter den Menschen heilig ist. Weil die Partnerschaft zu Gott ganz und gar Geschenk von Gott ist, weil also bei ihm allein der Anfang des Bundes liegt, hat Gott, hat seine Ehre die absolute Priorität im Dienst der Kirche. Jede primäre Bestimmung der Kirche von ihrer Funktion für die Menschen her verkennt ihr Wesen und verkennt auch diese ihre Funktion: denn das „Befreiende“, das gerade sie für den Menschen zu leisten vermag, ist dies, daß sie den Menschen aus der Engführung der Konzentration auf sich allein hinaushebt und ihn dazu freisetzt, daß es ihm mehr als nur um sich gehen, daß es ihm um den unbedingten Gott selber gehen kann.

Dienst am Heil: Gerade aber wenn die Kirche sich auf Gott einläßt, hat sie sich einzulassen auf seinen Willen, auf die Richtung seines Daseins, und diese Richtung ist beim Gott des Bundes eben: der Mensch, die Welt. Dieser Dienst am Menschen und an der Welt umfängt einerseits den ganzen Menschen, die ganze Welt und klammert keine Dimension ihres von Gott geschenkten Daseins aus; an- [194] dererseits, und dies ist das proprium des Auftrags der Kirche, weiß sie, daß das Heil der Welt nicht in dem liegt, was die Welt aus sich selbst vermag, und auch nicht in der Erfüllung der Bedürfnisse, die die Analyse von Mensch und Welt zutage bringt.

Wahrung der Schöpfungsordnung: Die Ehre Gottes verkürzt nicht den Menschen und die Welt, das Heil Gottes zehrt nicht den Menschen und die Welt nivellierend in Gott auf; zum Bund gehört gerade das Gegenüber, der von Gott gegründete und um Gottes willen zu wahrende Selbststand von Mensch und Welt. Ohne diese Wahrung dessen, was Welt und Mensch „von sich her“, will sagen vom Schöpfungswillen Gottes her sind, bräche der Bund in sich zusammen. Daher kann die Kirche nicht darauf verzichten, sich die Schöpfungsordnung, das heißt die Integrität der Momente angelegen sein zu lassen, die das Sein des Menschen als solchen gewährleisten.