Weltdienst – Heilsdienst

Innerkirchliche Reflexe

Wieso am Anfang unserer Reflexion eine solche, aufs erste ziemlich abstrakt klingende, aber schon bald gar nicht mehr abstrakt bleibende Betrachtung für unser Thema Welt- und Heilsdienst? Es sei nur provokativ angedeutet: weil sich deutlich sichtbar ekklesiologische Konsequenzen aus einem solch verengten Geschichtsansatz zeigen. Wenn nämlich Reform, wenn Erneuerung der Kirche auf den Titel „herrschaftsfreie Strukturen“ verkürzt wird, dann schreiben wir gerade, jene Verhältnisse fest, die wir überwinden wollen. Kein Zweifel, daß sich das Evangelium allem Sich-Aufspielen menschlicher Macht kritisch entgegensetzt. Kein Zweifel, daß es keine andere absolute Macht, kein anderes absolutes Ziel als Gott allein kennt. Kein Zweifel, daß es alles Herrschaftsstreben befragt. Aber wenn es in der Kirche ausschließlich um herrschaftsfreie Strukturen ginge, dann würde paradoxerweise eben doch wieder Herrschaft aufgerichtet, wir verfingen uns in den Teufelskreis der bloßen Umverteilung von Macht, statt diesen Kreis zu sprengen durch eine neue Gestaltung von Macht. Wenn wir der Fixierung, Abschaffung oder Verlagerung der amtlichen Kompetenz alles Gewicht in der Kirche beimessen, wenn es uns nur darum geht, ob entweder die Hierarchie oder das Volk Gottes die Macht hat, sind wir in diesem verengten Ansatz befangen.

Im Zuge der Isolierung der Frage nach kirchlicher Mit- oder Alleinbestimmung kommt es auch zu falschen Alternativen in dem Bereich, der hier thematisiert werden soll: Heilsdienst und Weltdienst in der Kirche.

Auf der einen Seite will man den Auftrag der Kirche so radikal von aller Befleckung mit bloß Welthaftem bewahren, daß nur der einzelne oder allenfalls ekklesial nicht relevante Gruppen von einzelnen mit dem Weltdienst befaßt werden, während die Kirche, das Amt, ihre wesenhaften Strukturen sich aufs „Eigentliche“, auf Gottesdienst und Spiritualität, auf den Heilsdienst beschränken. Damit aber würde der Kirche allenfalls noch das Recht eingeräumt, Vetotafeln des Du-darfst-nicht und Du-sollst-nicht zu erheben, darüber hinaus würde ihr aber jegliche Gestaltungsmacht politischer, kultureller, gesellschaftlicher Art abgesprochen. Auf der anderen Seite stehen die integralistischen Lösungen, die sich gern der Ideologie bedienen, der wahre Weltdienst sei auch schon der wahre Heilsdienst oder umgekehrt: der wahre Heilsdienst sei auch schon der wahre Weltdienst. Hier wird das eine für das andere vereinnahmt, das eine mit dem anderen vermengt, hier wird darum auch beides derselben amtlichen Instanz zugesprochen, die für die einen hierarchisch, für die anderen demokratisch verfaßt ist. Weltdienst und Heilsdienst als Dimensionen des einen Dienstes der Kirche leiden in beiden Fällen Schaden.

Demgegenüber hieße die befreiende Alternative, daß es eben im Welt- und Heilsdienst jeweils um Freiheit, Gestaltung und Kommunikation geht und daß Weltdienst und Heilsdienst wohl voneinander zu unterscheiden, nicht aber auseinanderzureißen, daß sie wohl miteinander zu verbinden, nicht aber miteinander zu vermischen sind.