Institution: Geflohen und gesucht

Institution: Geflohen und gesucht

[127] In zehn Jahren hat sich das Verhältnis der jüngeren Christen zur Kirche stark gewandelt. Zu Beginn war das Interesse an einem transzendenten Gott gering; die Hoffnungen konzentrierten sich auf eine Kirche, die im Zug der Veränderung der Gesellschaft als der Sauerteig einer dauernden kritischen Instanz dienen könnte. Am Ende enthüllt sich eine neue Suche nach dem Ursprung, nach Gott, und auch nach einer Gemeinschaft unmittelbar im Ursprung und aus ihm, von der her die einzig wirksame Veränderung der Gesellschaft erhofft wird; dabei ist das Institutionelle an der Kirche, soweit es quasi-impersonale Züge trägt, entweder das achtlos Liegengelassene und sorgfältig Umgangene oder das geradezu als gefährlichste Verfremdung des Ursprungs Angeprangerte. Es ist die erstarrte Form des Lebendigen, Starrkrampf oder schon Abgestorbensein; im ersten Fall würde allenfalls eine Verflüssigung ins Personale helfen, im zweiten nur ein stilles Begräbnis. Blickt man von heute auf die Situation der sechziger Jahre zurück, so steigt einem der Verdacht auf, daß die damals auf die Kirche als gesellschaftskritische Instanz gesetzten Hoffnungen bereits mit einem Institutionsbegriff gearbeitet haben, der sich rein soziologisch verstand, deshalb vom theologischen Verständnis und dem handelnden Vollzug der Kirche auch nicht gedeckt werden konnte und notwendig der Kritik der heutigen Generation zum Opfer fiel.

„Institution“, angewendet auf das lebendige Erbe Jesu von Nazareth – dessen große Sehnsucht war, das Feuer, das er auf die Erde zu werfen gekommen war, möge fortlodern – erscheint als ein einziges großes Mißverständnis, und zwar je weiter die Kirchengeschichte dauert, desto mehr. Was im Mittelalter als irgendwie lebendige (wenn auch problematische) Gestalt gelten konnte, verhärtet sich in der Gegenreform, wird in der Gegenwart, die hinter die Machbarkeit von Institution geblickt hat, vollends fragwürdig. Für einen ganzen Sektor der Reformation ist die in der Catholica gewachsene Institution Sklerotisierung des lebendigen Evangeliums, seine Verfremdungsgeschichte. Ein glattes katholisches Nein gegen diesen Verdacht könnte den letzteren nur vertiefen. Und zwar aus der Perspektive aller derer, die außerhalb stehen und an der Catholica zunächst kaum etwas anderes erblicken können als das unbewegliche Gefüge derer, die am Rand stehen und unter der kalten Starre leidend nach Strukturen tasten, die warm und biegsam geblieben sind, derer, die drinnen sind und ihr ganzes Streben darauf richten, überflüssige „Superstrukturen“ (römischen „Zentralismus“, „Codex iuris“ usf.) zugunsten eines geisterfüllten Pluralismus der Teil- und Ortskirchen [128] abzubauen, auch die Gemeinden zu dezentralisieren und das Amt des Gemeindeleiters grundsätzlich als eines unter vielen anzusehen.

Es kann in dieser kurzen Skizze nicht darum gehen, die vom Begriff Institution aufgeworfene Fülle an Fragen zu beantworten, die aus den verschiedenen Perspektiven an die Kirche betrachtet, sich wieder ganz anders ausnehmen. Wir müssen uns damit begnügen, mit einer Art Blitzlicht das geheimnisvolle Zentrum der Catholica anzuleuchten und aus dem rasch Gesichteten einige Folgerungen zu ziehen, die für alle – die draußen, die am Rand und die drinnen – einigermaßen erhellend sein können.

Wir gehen aus 1. von der hinter dem Begriff Institution sich verbergenden notwendigen Doppeldeutigkeit der christlichen Wirklichkeit, ihrer Gestalt. Wir fragen 2., weshalb der Zugang zu dieser Gestalt uns heute so erschwert ist. Wir suchen schließlich 3., welche Wege einer neuen Integration des Auseinanderfallenden uns Heutigen offenstehen.