Der Begriff des Heils

Integrität

Menschliches Dasein: es will es selbst und es ganz sein, und es will darin, daß die Welt sie selbst und sie ganz sei. Alles, was mir gehört, soll in meinem Dasein „drinnen“ sein, und ich selbst soll darin mir gehören.

Und was gehört zu meinem Dasein? Es ist Offenheit, die ihrerseits unbegrenzt ist, und deshalb gehört alles zu mir. Ich bin nur dann ich selbst, wenn ich allem gegenüber ich selbst bin, wenn ich alles, was auf mich zukommt, in mein Selbstsein zu integrieren vermag. Diese Integration bedeutet keineswegs „Verstauung“ in es fassenden und verarbeitenden Kategorien, aber es bedeutet Umgang mit allem, Vertrautheit mit allem, Bereitschaft zu allem. Das Hinausgehen über mich will Zu-mir-Kommen sein, sonst wäre es purer Verlust; und es will mich zugleich über mich hinausbringen zu allem, sonst bliebe ich in einer beengenden Opposition, mein Ich erstickte in sich selbst am Gegenüber der unbewältigten Welt. Ich bin also aus auf Integrität, die mich nicht verkürzt und die nichts verkürzt, sondern alles einbringt in die geschehende Beziehung zu allem, die ich bin.

Auch wenn ich darauf verzichte, „alles“ in mich zu integrieren und mich selbst angesichts von allem zu integrieren, wenn ich also nur meine Ruhe haben und einfach der sein wollte, der ich nun einmal bin, egal, was sonst noch ist: auch dann wollte ich so allem gegenüber mit mir identisch, mit allem in mir selber „fertig“ sein. Es handelte sich also um eine im Negativen und Verengenden bleibende Spielart der grundsätzlichen Tendenz zur Integration.

Indem Dasein als solches aus ist auf Integrität und Integration, ist es aber aus auf Heil. Schon die Vokabel Heil geht in vielen Sprachen von der Grundfigur der Integrität aus. Heil sein heißt ganz sein. Im „heilen“ Ganzsein sind zwei Momente der Totalität eigens angesprochen: einmal die Gesundheit, will sagen die Entfaltetheit des Ursprungs in seine ihn bergende, verwirklichende Gestalt, und zum andern die Unverletzlichkeit dieser Gestalt, ihre [224] Unberührtheit, ja Unberührbarkeit, die den Raum der ungestörten Identität des Ursprungs mit sich allem gegenüber wahrt.