Lerne am Herd die Würde des Gastes
Jahres-Sabbat
Da jedoch Italien nicht nur das Ursprungsland der Fokolar-Bewegung ist, sondern diese seit 1960 in Rocca di Papa nahe Rom auch ihr internationales Zentrum hat, kam es in der Folge zu weiteren und später immer häufigeren Italienreisen. Die Romaufenthalte Hemmerles trugen insofern zunächst überwiegend und später zu einem nicht unerheblichen Teil das Vorzeichen des Fokolars.1
Allerdings scheint es erst 1969, elf Jahre nach seinem Besuch der Mariapoli in Fieri di Primiero, zum zweiten Italienbesuch gekommen zu sein. Der Grund: Seit 1954 wohnten die Eltern Klaus Hemmerles in seinem Haushalt. Der Vater war krank, die Mutter von labiler gesundheitlicher Konstitution. Bis zum Tod des Vaters im Jahr 1968 vermied Hemmerle deshalb mehrtägige Abwesenheiten. 1969 kam es jedenfalls zum ersten längeren Italienaufenthalt, zum ersten Rombesuch und zu seiner ersten Begegnung mit Alghero auf Sardinien. In jenen Tagen begann er auch die italienische Sprache zu erlernen – autodidaktisch, im Umgang mit den Leuten.2
1969 fand das erste Fokolar-Priestertreffen in Rocca di Papa statt. Dieses besuchte Hemmerle und verbrachte im Anschluss daran einige Urlaubstage auf Sardinien. Freunde aus dem Fokolar hatten in Alghero, der Hafenstadt an der nördlichen Westküste Sardiniens, ein Quartier bei der Familie eines Fokolars besorgt, und zwar in der Altstadt von Alghero, in der Via Misericordia bei „Madre“ Manunta, der Mutter eines Fokolar-Priesters und dem Oberhaupt einer vielköpfigen Familie.3
Nach Alghero sollte er nun Jahr für Jahr reisen. Insgesamt fünfundzwanzig Mal hat Klaus Hemmerle dort seinen Urlaub verbracht, jeweils für etwa drei Wochen im Zeitraum zwischen Februar und April. Der genaue Termin war für den Hochschullehrer Hemmerle abhängig von den Semesterferien, dem Bischof gab die Frühjahrvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in der ersten Woche der Fastenzeit den terminus post quem an. Die Aufenthalte Hemmerles lagen insofern nicht nur außerhalb der touristischen Hochsaison, sondern auch in einer Zeit, die als die schönste beschrieben wird, da steigende Temperaturen und gelegentliche Regenfälle alles grünen lassen und Sardiniens Landschaft in ein Blütenmeer verwandeln.
Die Unterkunft war zunächst das Haus von Frau Manunta. Später wurde für etwa zwanzig Jahre das am Rande der Altstadt gelegene Hotel „La Margherita“ der Familie Battista Massia das Domizil für Klaus Hemmerle und seine Urlaubsgefährten. Denn nie ist er alleine dort gewesen, es war stets ein Urlaub in Gemeinschaft, in einer Gruppe von drei oder vier Fokolar-Priestern. Wilfried Hagemann, der fast immer dabei war, hat diese Urlaube mittlerweile mehrfach beschrieben.4
Die meiste Zeit verbrachten die Priester auf Wanderungen im Umland Algheros. Sie ließen sich morgens von einem Bekannten mit dem Auto vor die Stadt bringen und liefen über Stunden durch die dünn besiedelte Landschaft, besuchten die kleinen Landstädtchen oder wanderten entlang der Küste – nördlich und südlich von Alghero. Zurück ging es per Anhalter. Der Spätnachmittag und Abend gehörte dann der Stadt: Es wurde Gottesdienst gefeiert und gegessen. Spaziergänge führten in den Hafen, auf die Molen, über die alten Bastionen der Stadt.
Alghero war für Klaus Hemmerle nach dem Zeugnis seiner Urlaubsgefährten „der Ort, wo er sich ohne amtliche und öffentliche Verantwortung bewegen konnte“.5 Andererseits bildete sich im Laufe der Jahre ausgehend von der Familie Manunta und den befreundeten Fokolaren ein weitläufiger Freundes- und Bekanntenkreis in und um Alghero, und zunehmend wurde Klaus Hemmerle auch zu einer Person öffentlichen Interesses. 1993 verlieh ihm der Hotel- und Gaststättenverband der Stadt aus Anlass seines 25. Besuches eine Ehrenplakette, nach seinem Tod 1994 veröffentlichte die Zeitung der Diözese Bosa-Alghero einen Nachruf.6
2004 wurde in Alghero sogar ein Park nach Klaus Hemmerle benannt.7 Auf einem kleinen Denkmal, das dort errichtet ist und das Emblem seines Bischofsrings aufgreift, steht eine Inschrift, die übersetzt lautet: „Die Stadt Alghero in Erinnerung an Monsignore Hemmerle, Bischof von Aachen, Freund der Algherer“.8
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Hemmerle kam regelmäßig dorthin im Rahmen seines Engagements für das Netzwerk katholischer Bischöfe in der Fokolarbewegung. Deren Treffen, „Bischofstreffen“ genannt, fand ab 1977 jährlich in Rocca di Papa statt. Auch das so genannte „Ökumenische Bischofstreffen“, das seit 1982 nicht-katholische Bischöfe bzw. Präsides versammelte, wurde mehrfach in Rom abgehalten (vgl. Hagemann, Alle eins damit die Welt glaubt [Anm. 5], 170–175, 199–203). In seinen letzten Lebensjahren kam noch sein Bemühen hinzu um die so genannte „Scuola Abbà“ (vgl. ebd., 203–207). ↩︎
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Vgl. Hagemann, Alle eins damit die Welt glaubt (Anm. 5), 148. ↩︎
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Einige der im Folgenden noch zu besprechenden Gedichte Hemmerles sind Mitgliedern dieser Familie gewidmet. Vgl. z. B. das Gedicht „Madre Manunta // In memoriam“, das folgendermaßen beginnt: „Mich in Aachen auf den Kaiserthron im Dom setzen: / das geht mir nicht übers Herz. / Mich in Alghero auf den Stuhl neben der Tür / in der Via Misericordia 17 setzen: / das geht mir nicht übers Herz.“ ↩︎
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Vgl. Hagemann, Wilfried: Klaus Hemmerle in Alghero, in: Augenblicke. Klaus Hemmerle, Aquarelle und Zeichnungen, 1969–1993, hg. v. d. Stiftung kath. Marienhospital Aachen, Aachen o. J., 5–8; Hagemann, Alle eins damit die Welt glaubt (Anm. 5), 148–154. ↩︎
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Bader/ Hagemann, Klaus Hemmerle (Anm. 5), 214. ↩︎
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Vgl. Hagemann, Alle eins damit die Welt glaubt (Anm. 5), 148 f. ↩︎
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Vgl. http://www.fokolar-bewegung.de/magazin/artikel.php?artikel=175& type=2 (22.7.2006). ↩︎
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Vgl. ebd. ↩︎