Das Wort für uns
Jesu Geschichte mit uns
Jesus, der von seinem Vater kommt, der uns den Vater verkündet und zum Vater zurückkehrt und nunmehr ewig in ihm lebt: dies ist aber nicht ein großartiges Schauspiel vorne auf der Bühne – und wir sitzen im Zuschauerraum dieser Welt, davon fasziniert und getröstet, aber eben doch getrennt, in unserem eigenen Lebensraum, im Dunkel dahinten, während vorne die Bühne erleuchtet ist. Nein, dieses Wort Jesu „Ich bin in meinem Vater“ ist nicht nur seine, es ist [51] unsere Geschichte. Um beim Bild vom Theater zu bleiben: wir sitzen nicht bloß im Zuschauerraum, sondern wir sind mit auf der Bühne, denn wir sind in Jesus drinnen. Dies ist doch der zweite Satz, der unabdingbar zum ersten dazugehört: „Ihr seid in mir.“
Jesus hat unser Fleisch angenommen. Er hat unser Leben zu seinem Leben, unsere Sorgen zu seinen Sorgen, unsere Fragen zu seinen Fragen, unseren Tod zu seinem Tod gemacht. Er hat uns, uns so, wie wir sind, in sich hineingenommen und trägt uns in sich hin zum Vater. Nie mehr können wir Gott begegnen, ohne in ihm uns selbst zu finden; denn Jesus ist im Vater, und in Jesus sind auch wir hineingenommen in diesen Vater. Inkarnation, Menschwerdung des Wortes ist keine einmalige Episode, sie ist das bleibende und ganze Ja Gottes zur Menschheit. Indem das Wort einmal Fleisch geworden ist, hat es uns, hat es alle Menschen in sich hineingenommen, und so sind wir in ihm für alle Ewigkeit.
Kehren wir noch einmal zu unserem Bild vom Theater zurück. Was wir bislang sahen, ist noch zuwenig. Es ist nicht nur so, daß Jesus vorne auf der Bühne unsere eigene Geschichte mit- [52]spielte, unser wirkliches, ganz banal alltägliches Leben, wir aber blieben, wie wir eben sind, blieben hinten im Dunkel des Zuschauerraumes. Es ist nicht nur so, daß wir in Jesus unser besseres Selbst in Gott hineingetragen finden, aber wir leben diesseits dieses besseren Selbst, wir bleiben sozusagen hinter uns selbst zurück. Nein, indem Jesus zum Vater geht, kommt er zugleich durch seinen Geist, den er uns schenkt, in uns hinein.
Er kommt dorthin, wo wir sind und bleiben, und so bleibt er drinnen im Zuschauerraum der Welt, eben dort, wo wir leben. Er spielt sein Spiel weiter in uns. „Er in uns“: darin vollendet sich das Spiel. Der Zuschauerraum selber wird zur Bühne, zur Bühne des Spiels Gottes mit der Welt. Uns, unsere armselige Wirklichkeit, unseren Alltag ergreift er im Geist, in uns und durch uns will er hinein in die Welt, in die Geschichte. Indem wir ihn bezeugen dürfen, ist er aber nicht nur wie eine Ware, die wir verkaufen, sondern er ist unser eigenstes, innerstes Geheimnis, er lebt in uns, er ist inwendiger in uns als wir selber, größer und mächtiger in uns als wir selber. Er ist die Mitte unseres Lebens, die Achse, um die unser Dasein schwingt. Er ist es, von dem [53] wir leben können, er ist es, der uns von innen trägt und begleitet und erfüllt. Und so ist er es auch, den wir, uns selber gebend, den anderen, der Welt bringen dürfen.